Bistum Rottenburg-Stuttgart entschuldigt sich bei Heimkindern

Die Zeit heilt keine Wunden

Die Aufarbeitung der eigenen Heimkindergeschichte beschäftigt die katholische Kirche weiterhin: Für erlittenes Unrecht hat sich nun der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst entschuldigt. Persönlich und im Namen des Bistums bat Fürst um Vergebung.

 (DR)

Der Bischof äußerte sich am Montag (04.04.2011) vor Journalisten in Stuttgart bei der Vorstellung einer Studie, in der die Geschichte der katholischen Heimerziehung in der schwäbischen Diözese aus den 1950er und 1960er Jahren aufgearbeitet wird. Die vom Stuttgarter Institut für angewandte Sozialwissenschaften (IfaS) erstellte und für die deutschen Diözesen bislang einmalige 320-seitige Arbeit mit dem Titel "Die Zeit heilt keine Wunden" bewertete Fürst als "wichtigen Beitrag zur Diözesangeschichte".



Unter Leitung der Sozialwissenschaftlerin Susanne Schäfer-Walkmann wurden 25 ehemalige Heimkinder und 15 Erziehungspersonen befragt, die in den 1950er und 1960er Jahren in den heute noch bestehenden 15 Jugendhilfeeinrichtungen der Diözese lebten und arbeiteten. Aus den 1980er und 1990er Jahren wurden weitere 14 Heimkinder und 10 Erziehungspersonen als Zeitzeugen interviewt. Das Bistum hatte sich 2009 zur Aufarbeitung dieses Teils seiner Geschichte entschieden.



Die "totale Institution Heim"

Schäfer-Walkmann sprach über die "totale Institution Heim" und deren Macht. Demütigungen und Übergriffe seien keine Einzelfälle gewesen. Die Wissenschaftlerin nannte es erschütternd, wie wenig sich die Erwachsenen gegenseitig reglementiert hätten. Es habe aber auch Menschen gegeben, die den Kindern Zuwendung und Geborgenheit vermittelt hätten. Zwischen den 1950er und 1960er Jahren einerseits und den 1980er und 1990er Jahren lägen Welten. Heimkinder aus der letzteren Phase zitierte Schäfer-Walkmann mit der Einschätzung, dass die Heimerziehung "das Beste war, was ihnen passieren konnte". Die Studie macht zugleich deutlich, dass die Übergriffe auch gesellschaftliche Ursachen in der Phase nach dem Zweiten Weltkrieg haben und in allen Heimen stattfanden.



Fürst unterstrich, dass die oft von Ordensangehörigen geführten Heime ein Konzept der "Rettungspädagogik" verfolgten, wonach Kinder zu einem "heiligen" Leben nach den Idealen der Ordensleute erzogen werden sollten. Die staatliche und die kirchliche Heimaufsicht habe oft versagt. Fürst sicherte zu, dass die Diözese sich aktiv an einer materiellen Entschädigung der Opfer beteiligen werde. Konkrete Zahlen nannte der Bischof nicht und verwies auf den Runden Tisch Heimerziehung.