Evangelische Kirche legt Text zu Tierwohl und Tierethik vor

"Bloßes Weiter-So ist nicht möglich!"

In der Bibel kommt die Sicht vom Menschen als "Krone der Schöpfung" nicht vor - dennoch ist sie weit verbreitet. Die EKD setzt sich in ihrem jüngsten Text für ein neues Verhältnis zwischen Mensch und Tier ein.

Autor/in:
Norbert Zonker
EKD veröffentlicht Grundsatzpapier "Nutztier und Mitgeschöpf! Tierwohl, Ernährungsethik und Nachhaltigkeit aus evangelischer Sicht" / © Martin Schutt (dpa)
EKD veröffentlicht Grundsatzpapier "Nutztier und Mitgeschöpf! Tierwohl, Ernährungsethik und Nachhaltigkeit aus evangelischer Sicht" / © Martin Schutt ( dpa )

In den aktuellen Diskussionen über den Klimawandel spielen auch Fleischkonsum und Massentierhaltung eine wichtige Rolle. Insofern kommt der neue Text der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur richtigen Zeit.

Dabei geht es in dem 150-seitigen Grundsatzpapier "Nutztier und Mitgeschöpf! Tierwohl, Ernährungsethik und Nachhaltigkeit aus evangelischer Sicht", der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde, nicht allein um die Auswirkungen auf das Klima. Vielmehr will die EKD ein grundsätzliches Umdenken im Umgang mit sogenannten Nutztieren anregen.

Grenzenüberschreitender Dialog

"Was im Blick auf das Mensch-Tier-Verhältnis im Kontext unserer modernen Zivilisation ansteht", schreibt der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sei "nichts weniger als ein umfassender zivilisatorischer Umlernprozess, der dem Prozess der Dekarbonisierung unserer Weltwirtschaft in nichts nachsteht".

Er erfordere vielfältige Beteiligung, Ermutigung und grenzüberschreitenden Dialog in allen Bereichen von Kirche und Gesellschaft.

Es gehe nicht um Schuldzuweisungen an bestimmte Berufsgruppen

Der Vorsitzende der EKD-Kammer für nachhaltige Entwicklung, die den Text erarbeitet hat, Uwe Schneidewind, hob denn auch bei der Vorstellung hervor, es gehe nicht um plakative Forderungen oder Schuldzuweisungen an bestimmte Berufsgruppen.

Die geforderte Neuorientierung sei vielmehr eine "hochkomplexe interdisziplinäre Herausforderung", so der Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie.

"Zurück zum traditionellen Sonntagsbraten"

Dabei mangelt es in dem Papier nicht an konkreten Forderungen. Für die Autoren steht etwa nicht in Frage, dass der durchschnittliche Fleischverzehr deutlich reduziert werden muss. Dieser liege derzeit in Deutschland bei rund 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr, sagte die Referentin für den Ländlichen Raum bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Maren Heincke.

Das entspreche dem zwei- bis dreifachen dessen, was die Deutsche Gesellschaft für Ernährung für gesundheitsverträglich halte. Sie selbst, so Heincke, könne als Vegetarierin die Parole "Zurück zum traditionellen Sonntagsbraten" durchaus unterstützen, wenn damit auch eine artgerechte Tierhaltung verbunden sei.

Kompletter Verzicht auf Tierhaltung steht nicht zur Debatte

Generell setzen die Autoren nicht auf Verbote oder Maximalforderungen, wie sie bisweilen von Vegetariern oder Veganern vertreten werden. Ein genereller Verzicht auf Tierhaltung steht für sie auch mit Blick auf die Welternährungslage nicht zur Debatte.

Ein bloßes "Weiter-So" ist nach Auffassung des Theologischen Grundsatzreferenten im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung, Dietrich Werner, aber nicht möglich. Überwunden werden müsse eine vornehmlich ökonomische Sicht angesichts von Zielkonflikten; es gehe nicht nur um eine Agrarwirtschaft, sondern immer auch um eine Agrarkultur.

Herausforderungen auch an die Kirche selbst

Deshalb erinnert das Papier eingangs auch an "teils vergessene Einsichten" (Werner) aus der biblischen Tradition: Diese sehe das Tier als Mitgeschöpf mit eigener Würde, Tierwohl, Menschenwohl und Schöpfungswohl stünden in einem unauflöslichen Zusammenhang. Auch Traditionen wie das Fasten als bewusste Selbstbegrenzung müssten neu ins Gespräch gebracht werden, meinte Werner.

Herausforderungen enthält der Text nicht zuletzt an die Kirche selbst, und zwar sowohl mit Blick auf die Verpachtung von Kirchenland als auch auf die Bewirtschaftung der eigenen Häuser. In den meisten Landeskirchen spiele die Frage der Tierhaltung bei Pachtverträgen noch keine Rolle, bedauerte Heincke.

Möglichkeiten innerkirchlich Vorgaben zu machen sind begrenzt

Bei der Verpflegung in kircheneigenen Kantinen oder bei Veranstaltungen seien "Lernprozesse schon in Gang", so Werner, aber längst nicht abgeschlossen. Immer noch komme bei Gemeindefesten auch Billigfleisch auf den Grill. Allerdings sind die Möglichkeiten der EKD begrenzt, innerkirchlich Vorgaben zu machen.

Ausdrücklich würdigt der EKD-Text den "wichtigen Impuls", den Papst Franziskus 2015 mit seiner Enzyklika "Laudato si" auch für die evangelischen Kirchen gegeben habe. Der Text als solcher ist aber kein ökumenischer Text, auch wenn die Übereinstimmung mit den katholischen Partnern nach Einschätzung der Autoren groß ist. Er solle, so Bedford-Strohm, auch der weltweiten Ökumene weiterführende Anstöße geben.


Heinrich Bedford-Strohm / © Harald Oppitz (KNA)
Heinrich Bedford-Strohm / © Harald Oppitz ( KNA )

Prof. Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal-Institutes, wirbt in seinem Vortrag für nachhaltige Entwicklung unter der Überschrift "Zukunftskunst und Transformation". / © Beatrice Tomasetti (DR)
Prof. Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal-Institutes, wirbt in seinem Vortrag für nachhaltige Entwicklung unter der Überschrift "Zukunftskunst und Transformation". / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
KNA