DOMRADIO.DE: Sie sind Teil der Evangelischen Bruderschaft Kecharismai und nennen sich selbst Blumenmönche. Was macht Ihre Gemeinschaft aus?
Paidoios (Florist und Gärtnermeister im evangelischen Orden der Blumenmönche): Wir sind eine evangelische, sehr ökumenisch ausgerichtete Ordensgemeinschaft im schwäbischen Kreis Reutlingen.
Unseren Lebensunterhalt verdienen wir, indem wir auf Märkten Blumen verkaufen. Bis vor einiger Zeit hatten wir auch ein Blumengeschäft, aber das haben wir mittlerweile geschlossen. Wir stehen dort im Habit, also in der Kutte. Unser eigentlicher Name "Evangelische Bruderschaft Kecharismai" ist etwas schwierig, deswegen haben uns die Leute Blumenmönche genannt.
Wir haben Brüder und Schwestern, aber auch wenn eine Schwester auf dem Markt steht, haben die Leute gesagt "Ich gehe zum Mönch“. Wir haben dann den Namen Blumenmönche gewählt, weil beides bestimmende Teile unseres Lebens sind: Sowohl die Blumen als auch das Mönch-Sein.
DOMRADIO.DE: Sie sind eine evangelische Gemeinschaft. Und auch der ökumenische Geist von Taizé spielt eine wichtige Rolle für Sie?
Paidoios: Unser Prior hatte am Anfang den Auftrag von Gott, ein Alten- und Freizeitheim zu bauen und zu führen. Im Lauf der Zeit haben sich ihm junge Menschen angeschlossen, die nicht Karriere machen, sondern im Alltag Gott erfahren wollten. Daraus hat sich eine Gemeinschaft gebildet.
Wir haben dann ausprobiert, was im gemeinsamen Leben funktioniert und was nicht. Als wir unsere Erkenntnisse schließlich konkret in unserer Regel verfasst haben, haben wir gemerkt, dass sehr viel Taizé drinsteckt. Parallelen zu Taizé sind vorhanden, aber auch zu den Marienschwestern der evangelischen Gemeinschaft und auch zum Heiligen Benedikt.
DOMRADIO.DE: Tatsächlich folgen Sie der berühmten Regel des Heiligen Benedikt, dem „Ora et labora - Bete und arbeite“. Was bedeutet das praktisch für Sie?
Paidoios: Wir arbeiten in den verschiedensten Gebieten. Wir haben wie die meisten Ordensgemeinschaften extremen Nachwuchsmangel, so dass wir manches aufgeben mussten. So hatten wir bis vor zwei Jahren ein öffentliches Altenheim mit 50 Plätzen. Wir haben unseren Gartenbau und zusätzlich parkähnliche Gärten, die wir zur Meditation anbieten.
In unserem Namen "Evangelischen Bruderschaft Kecharismai" steckt die Idee vom schenkenden Gott und dem Wert, den der Mensch dadurch erfährt. In diesem Sinne biete ich auch Floristikkurse oft für angehende Messner an.
Dabei geht es um Blumen an sich und um Kirchenschmuck im Besonderen. Es geht sozusagen darum, durch die Blume zu entdecken, dass die Menschen wertvoll sind und über die Schönheit auch ein Stück weit Gott zu entdecken.
DOMRADIO.DE: "Blumen sind das Lächeln Gottes über der Erde". Dieser Satz ist so etwas wie das Motto der Blumenmönche. Wie genau verstehen Sie diesen Satz?
Paidoios: Wir sehen den lieben Gott oft sehr begrenzt als strengen, humorlosen Herrn. Aber wenn ich in die Schöpfung schaue, entdecke ich dort ganz viel von Gott. Das tue ich auch, wenn ich jetzt im Frühling die üppige Blütenpracht sehe.
Mir fällt die heilige Klara ein und ihren Auftrag an ihre Schwestern, dass sie Gott preisen sollen, wenn sie einen blühenden Baum sehen. Ich sehe in der Schönheit der Blumen, aber auch in der Bereitschaft, diese Schönheit hinzugeben, um Frucht zu bringen, ganz viel von Gottes Schöpfung, von Gottes Kreativität und seiner grenzenlosen Liebe zu uns.
DOMRADIO.DE: Die Blumenmönche tragen grüne Kutten. Ist das symbolisch?
Paidoios: Wir haben lange nach der passenden Gewandung für unsere Bruderschaft gesucht und dafür mehrere Dinge ausprobiert. Freundlicherweise waren Benediktiner bereit, uns das festliche Habit zu machen, das wir tragen, wenn wir ausgehen.
Weil wir so viel mit Blumen zu tun haben, haben wir dafür nicht Schwarz sondern Grün als Farbe gewählt. Unsere Marktkutten sind dagegen etwas einfacher geschnitten, ohne Skapulier, weil das nur im Weg wäre. Sie erinnern vom Schnitt her an franziskanische Kutten, sind aber auch in grün als Erkennungsfarbe der Blumenmönche gehalten.
DOMRADIO.DE: Sie selbst sind heute Blumenmönch und Gärtner. Wie war Ihr Werdegang?
Paidoios: Ich habe schon als kleiner Bub einen Garten gehabt, wo ich Blumen gezogen habe. Die Erwachsenen haben später immer erzählt, dass ich als Kind, wenn die Metzgersfrau mir ein Stück Wurst und eine Blume aus dem Thekenschmucke angeboten hat, immer die Blume gewählt habe.
Zu den Blumenmönchen bin ich schon mit 17 Jahren gestoßen und mit 18 eingetreten. Aus meinem kreativen Interesse und der Praxis heraus hat sich ergeben, dass ich auch hier mit Blumen unterwegs bin. Ich habe Gärtner gelernt, bin aber kein ausgebildeter Florist. Das ist wieder, was der Name Kecharismai mir sagt, dass nämlich Gott auch dort Gaben schenkt, wo keine Ausbildung zugrunde liegt.
DOMRADIO.DE: Wie genau arbeiten Sie mit Blumen, wie kann man sich das vorstellen?
Paidoios: Es kommt drauf an, was der Tag bringt. Es fängt beim Jäten oder Holzfällen an und hört bei Kursen zur Gestaltung von Kirchenschmuck auf. Außerdem ziehe ich fürs Kloster Kräuter und Gemüse im Gewächshaus.
Das ist eine große Spannbreite und genau das, finde ich, ist doch das Tolle an unserer Lebensweise. Der Glaube ist nicht etwas für den Sonntag, sondern funktioniert mitten im Alltag. So habe ich es mir von klein auf gewünscht. Ich kann auch beim Gießen oder Jäten meditieren oder beten. Es ist eben gerade nicht, das eine ist der Mönche und das andere sind die Blumen. Sondern beides geht ineinander über.
DOMRADIO.DE: Wie sehen denn Ihre Gärtner-Anlagen im Kloster aus?
Paidoios: Einerseits kaufen wir Blumen im Großhandel. Dazu fährt unser Bruder Markus einmal in der Woche an die holländische Grenze, um an der Blumenbörse Ware zu ersteigern. Er bringt sie mit einem großen LKW samt Anhänger her. Hier am Kloster haben wir eine Gärtnerei. Da betreibe ich ein Gewächshaus mit verschiedensten Blumen von Calla über Amaryllis bis hin zu Kräutern und Gemüse.
Außerdem haben wir Anlagen ums Haus herum, in denen wir Blumen für den Kirchenschmuck ziehen. Entsprechende Kurse bieten wir je nach Wunsch zu bestimmten Themen wie Weihnachts- oder Osterschmuck, zu bestimmten Farben oder Jahreszeiten an.
Andere Mönche kümmern sich um die Vermarktung, das heißt, sie verkaufen Blumen auf etwa 20 Wochenmärkten hier in der Umgebung. Sie arbeiten die Blumen dazu auf, binden Sträuße und bieten sie vor Ort an.
DOMRADIO.DE: Ist Seelsorge auch im Spiel, wenn die Blumenmönche auf den Marktplätzen Blumen verkaufen?
Paidoios: Ja, natürlich. Das haben wir sowohl im Blumengeschäft als auch auf den Märkten immer wieder erlebt, dass die Menschen mit unterschiedlichen Anliegen zu uns kommen. Sie fragen uns zum Beispiel:
"Ich habe diese Leute kennengelernt, was haltet Ihr davon?" Oder jemand bittet uns: "Meine Frau erwartet ein Kind, es geht ihr nicht gut, könnt Ihr für sie beten?" Andere sagen "Mensch, wenn ich durch Euren Garten gehe oder bei Euch am Stand vorbeikomme und sehe, wie fröhlich Ihr seid, dann geht es mir auch gleich besser."
Die Anliegen gehen von Glaubensfragen bis hin zu ganz konkreter Seelsorge. Dazu bieten wir auch eigens Meditationen und Kurse an. Aber unsere Brüder und Schwestern berichten, wie zwischendurch, nebenher und mitten im Verkauf Seelsorge geschieht.
DOMRADIO.DE: Inwiefern hängen für Sie als Blumenmönch die Hege und Pflege von Pflanzen, von Blumen, mit Ihrer Spiritualität zusammen?
Paidoios: Ganz stark. Ich sehe Gott als Schöpfer, der eben nicht nur Gänseblümchen, sondern eine ganz große Vielfalt geschaffen hat. Im kreativen Gestalten entdecke ich den kreativen und gestaltenden Gott.
Das ist genau das, was ich über das Floristische hinaus in meinen Kursen weitergeben möchte. Manche, die zu mir kommen, sind unsicher und sagen, sie hätten zwei linke Hände. Wenn sie dann entdecken, dass Gott doch Gaben in sie hineingelegt hat und dass auch sie kreativ sind, ergeben sich daraus neue Gespräche. Das ist für die Menschen oft wie eine Offenbarung, eine Gotteserfahrung.
DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist die Schönheit der Natur, um Gott zu erfahren?
Paidoios: Absolut wichtig. Wenn es im Sommer sehr heiß ist und ich sterbende Blumen, sterbende Bäume sehe, geht mir das an die Seele, weil ich eben in der Schöpfung den Schöpfer sehe. Die Schöpfung funktioniert nicht einfach nur, sondern Schönheit an sich ist ein wesentliches Element.
Die Blumen blühen, ob sie nun am Ende zum Samen kommen oder nicht, ob sie jemand bemerkt in der Natur oder nicht. Das ist dem lieben Gott egal. Da merke ich, dass die Schönheit absolut zu Gott gehört und alles Schöne ein Hinweis auf ihn ist.
DOMRADIO.DE: Jetzt nach Ostern geht es für Gärtner und Gärtnerinnen richtig los. Wie ist das bei Ihnen, was steht als Nächstes an?
Paidoios: Dadurch, dass wir nur noch wenige sind, kultivieren wir nicht mehr viel selbst, sondern nehmen oft Halbfertig-Ware und ziehen sie weiter. Das geht eigentlich kontinuierlich durch. Nach Ostern fängt die Vorbereitung auf den Muttertag an und nach dem Muttertag ist das halbe Jahr schon rum.
Wir richten uns im Pflanzen und Gestalten nach dem Lauf der Natur. Der Frühjahrsflor ist jetzt noch schön, da brauchen wir noch nichts Neues. Aber durch den Klimawandel kommt alles immer früher. Vom Einkauf her werden bald die ersten Geranien im Angebot sein.
DOMRADIO:DE: Haben Sie selbst denn eine Lieblingsblume?
Paidoios: Ich mag sie alle. Aber nicht alle mögen mich. Ich mag zum Beispiel auch die Usambara-Veilchen, aber die gedeihen bei mir einfach nicht. Im Gewächshaus kultiviere ich vor allem Calla und Amaryllis, aber auch Clivien und Kamelien.
Das läuft gut und ich versuche das auch in den Kursen weiterzugeben. Ich sage den Leuten: "Wenn ihr eine Blume nicht mögt, betrachtet sie einfach mit Liebe und versucht, mit Liebe etwas zu gestalten. Das macht etwas mit ihnen, das sind tolle Erfahrungen,
Das Interview führte Hilde Regeniter.