"Manche Dinge gehörten zu einer Sprache, die normale Sterbliche nicht verstehen": So beschrieb der Karikaturist Laurent "Riss" Sourisseau knapp drei Jahre nach dem Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" seine Gefühlswelt.
Ihm fehlten die Worte für das Erlebte, fügte er im Interview des "Figaro" hinzu. Acht Redaktionsmitglieder waren bei dem Angriff gestorben; weitere neun Menschen wurden am selben Tag in einem koscheren Supermarkt und auf der Straße in Paris erschossen. Später übernahm der "Islamische Staat" (IS) die Verantwortung für die Taten. Am 7. Januar jähren sie sich zum fünften Mal.
"Je suis Charlie"
Nach dem Attentat überschlugen sich die Ereignisse - und vieles davon prägte sich in das kollektive Gedächtnis ein. Der Slogan etwa, den der französische Grafiker Joachim Roncin eine halbe Stunde nach dem Attentat über Twitter verschickte: "Je suis Charlie" wurde millionenfach geteilt und auf Plakaten durch die Straßen getragen.
Zudem gab es Mahnwachen und Blumenmeere an den französischen Botschaften. Am Sonntag nach dem Anschlag versammelten sich rund 1,5 Millionen Menschen, darunter Staats- und Regierungschefs, zu einer Gedenkkundgebung in Paris - mehr waren es nie seit Verkündigung des Kriegsendes 1945.
Neben dieser Welle von Trauer und Solidarität markiert das Attentat auch eine Zäsur. Mit ihm kam der Terror näher - geografisch und gefühlt. Nach Einschätzung der Soziologin Daniela Schiek hat bereits der 11. September 2001 eine "neue Qualität des Terrors" in die westlichen Gesellschaften gebracht, weil er zivile Räume wie Transportmittel betraf. Das habe sich vor fünf Jahren erneut ausgeweitet, sagt sie: Auch Räume, die zuvor als sicher galten, etwa Cafes oder Supermärkte, könnten nun betroffen sein, so die gemeinschaftliche Erfahrung.
In den kommenden Monaten und Jahren blieb der Terror präsent - und mit ihm Debatten über die Meinungsfreiheit. Der Schriftsteller Michel Houellebecq, dessen Roman "Unterwerfung" am Tag des Anschlags erschienen war, sprach in der "Süddeutschen Zeitung" von einem "der grässlichsten Tage meines Lebens". Er betonte zugleich: "Wenn ich Angst habe, dann nur davor, dass jetzt viele Angst haben, ihre Meinung zu sagen."
Über das rechte Maß zwischen Prävention und Einschränkungen wird seither immer wieder gestritten. Wenige Wochen nach "Charlie Hebdo" wurde der größte norddeutsche Karnevalszug in Braunschweig wegen konkreter Hinweise auf eine Terrorgefahr abgesagt. Einen Tag zuvor waren zwei Menschen bei einem Anschlag in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen gestorben. Auch ein Freundschaftsspiel der deutschen Nationalmannschaft im Herbst 2015 fand wegen einer Bombendrohung nicht statt; auf Großveranstaltungen wurden die Sicherheitsmaßnahmen massiv verschärft.
In den Jahren 2015 und 2016 häuften sich die Attentate
Dennoch kam es in den Folgemonaten zu zahlreichen Anschlägen mit mehreren Toten: am Brüsseler Flughafen, an der Promenade von Nizza, auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz. Konzerte im Pariser "Bataclan" und in Manchester wurden von fröhlichen Veranstaltungen zu Orten des Grauens. Kopenhagen, Barcelona, Ankara: In den Jahren 2015 und 2016 häuften sich die Attentate so, dass sich die Erinnerung an die einzelnen Ereignisse vermischt. Ein Phänomen, dass in Ländern wie Pakistan oder Nigeria längst trauriger Alltag ist.
Die Satiriker von "Charlie Hebdo" blieben kämpferisch. Eine Woche nach dem Anschlag meldeten sie sich mit einer Mohammed-Karikatur zurück. Einige Zeichnungen sorgten auch in der Szene für Debatten.
Nach der Anschlagsserie in Paris im November 2015, bei der insgesamt 130 Menschen starben, titelte das Magazin etwa mit: "Ils ont les armes, on a le champagne" (dt. "Sie haben die Waffen, wir haben den Champagner"). Das geteilte Echo - Zuspruch für die Widerständigkeit oder Vorwürfe des Zynismus - ist einkalkuliert.
Nach dem Anschlag selbst war es eine vergleichsweise versöhnliche Karikatur aus dem Jahr 2011, die in den Sozialen Netzwerken immer wieder geteilt wurde. Sie zeigt zwei knutschende Männer, einen mit Bart und Turban, den anderen mit Stift hinterm Ohr. "L'amour plus fort que la haine", steht darüber: "Liebe ist stärker als Hass".