Boden durch Dauerregen aufgeweicht - Vermissten-Suche nicht möglich

Lage an der Unglücksstelle in Köln verschärft

Drei Tage nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs in Köln hat sich die Lage an der Unglücksstelle zugespitzt. Wann mit der Suche nach den beiden Vermissten, die sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unter dem Trümmerhaufen befinden, begonnen werden kann, ist noch offen. Grund ist nach Angaben der Feuerwehr heftiger Dauerregen. Die Niederschläge sorgten für steigendes Grundwasser unter der Unglücksstelle, wodurch der Boden aufgeweicht sei. Weiterhin offen ist die Unglücksursache. Nach Angaben der Stadtarchiv-Leiterin Bettina Schmidt-Czaia wird die Restaurierung der Bestände ihrer Einrichtung bis zu 30 Jahre dauern.

Autor/in:
Sabine Meuter
 (DR)

Einsatzkräfte waren nach Angaben der Feuerwehr am Freitagnachmittag dabei, mit einem Kettenbagger weitere Gebäude an der Unglücksstelle abzureißen. Danach wollten sich die Rettungskräfte zu der Stelle vorarbeiten, an der die Vermissten vermutet werden. Die Arbeiten zögen sich hin, da der 80 Tonnen schwere Bagger immer wieder auf Archivmaterial stoße.

Ursprünglich hatte am späten Donnerstagabend die Suche nach den beiden vermissten Männern beginnen sollen. Bis zu diesem Zeitpunkt war auch geplant, die Sicherungsarbeiten an der Unglücksstelle abschließen zu können, damit Rettungskräfte ohne Lebensgefahr für sich selbst nach den beiden Vermissten suchen können.

Bei den beiden Vermissten handelt es sich nach Medienberichten um einen 23-jährigen Designstudenten und einen 17-jährigen Bäcker-Lehrling, die sich vermutlich in den Dachgeschosswohnungen von einem der zusammengestürzten Nachbarhäuser des umgekippten Archivgebäudes aufhielten.

Unterdessen zeigten sich die Kulturbehörden tief betroffen über den drohenden Verlust der Dokumente aus dem Stadtarchiv. Schmidt-Czaia sagte, das Unglück sei "für die Kulturgeschichte der Bundesrepublik eine absolute Katastrophe". Nach Angaben des Kölner Kulturdezernenten Georg Quander liegen rund 90 Prozent des Schriftgutes unter den Trümmern. Auch wenn noch keine gesicherten Erkenntnisse über das Ausmaß der Schäden vorlägen, werde es sicherlich "unwiederbringliche Verluste" geben, sagte Quander.

Wie sich am Freitag herausstellte, ist das gegenüber der Unglücksstelle liegende Gebäude des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums am Morgen um zwei Zentimeter nach unten gesackt. Einsatzkräfte hätten diese Gebäude bereits unmittelbar nach dem Unglück räumen lassen, sagte ein Feuerwehrsprecher.

In der Nacht auf Freitag hatten Feuerwehrleute auf Zuruf der zum Unglücksort gerufenen betroffenen Bewohner die wichtigsten Wertgegenstände und Dokumente aus den Wohnungen geholt und sichergestellt. Dazu gehörten unter anderem auch die Geldbestände einer betroffenen Spielhalle. Die Geldbeträge seien dem Spielhallenbesitzer direkt an Ort und Stelle übergeben worden.

Als mögliche Ursache des Unglücks, bei dem am Dienstag das vierstöckige Gebäude des Stadtarchivs sowie zwei benachbarte Häuser eingestürzt waren, gilt der U-Bahnbau. Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) wiesen Vorwürfe zu angeblich mangelnder Sorgfalt beim Bau der U-Bahnlinie unter dem Gebäude des Archivs zurück. Sowohl im Untergrund wie auch oberirdisch seien regelmäßig Kontrollen durchgeführt worden, sagte KVB-Bauleiter Rolf Papst. Es habe aber keine auffälligen Schäden an Gebäuden gegeben. Beim Unglück am Dienstag müsse es unmittelbar vor dem Einsturz eine "plötzliche, sehr plötzliche" Veränderung im Untergrund unter dem Stadtarchiv gegeben haben, so Papst.

Der Bodenmechanik-Experte Stavros Savidis sieht Hauseinstürze wie den des Kölner Stadtarchivs als Restrisiko großer U-Bahn-Projekte. "Das ist etwas, was durchaus passieren kann", sagte der Direktor des Instituts für Bauingenieurwesen der Technischen Universität Berlin. BAP-Sänger Wolfgang Niedecken verteidigte derweil den Bau der umstrittenen Kölner Nord-Süd-Stadtbahn. "Die neue U-Bahn-Strecke ist notwendig. Diese Verkehrsverbindung vom Süden Kölns bis zum Hauptbahnhof hat bislang gefehlt", sagte Niedecken.