Brasiliens Präsident Jair Messias Bolsonaro hat den ersten Durchgang der Präsidentenwahl verloren. Und kann sich trotzdem als Gewinner fühlen.
Der rechtspopulistische Ex-Fallschirmjäger-Offizier erreichte mit 43,2 Prozent der Stimmen deutlich mehr als in Umfragen prophezeit. Diese sahen ihn bei rund 36 Prozent. Der linke Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva blieb mit 48,4 Prozent knapp hinter den jüngsten Umfragen, die ihm 50 Prozent vorhersagten. Im Kongress legten Bolsonaros Verbündete zudem überraschend deutlich zu.
Stichwahl zwischen Bolsonaro und Lula
Bolsonaro und Lula treffen nun in vier Wochen in einer Stichwahl aufeinander. Das Rennen sei wieder offen, da beide Kandidaten über die gleichen Werbezeiten in Radio und Fernsehen verfügten, erklärte Bolsonaro am Sonntagabend (Ortszeit) in einer Stellungnahme.
Zufrieden über sein überraschend gutes Abschneiden zeigte er sich trotzdem nicht, hatte er doch vor den Wahlen gesagt, gefühlt mit 60 oder 70 Prozent gewinnen zu müssen.
So sprachen seine Anhänger dann auch von Manipulationen. Bolsonaro selbst wollte sich hingegen nicht festlegen, ob es irreguläre Eingriffe gegeben habe. Er wolle erst einmal den Bericht einer Militärkommission abwarten, die die Auszählung verfolgte. Zuletzt hatte der amtierende Regierungschef behauptet, das Oberste Wahlgericht manipuliere die Abstimmung, um Lula zum Sieg zu verhelfen. Die befürchteten Ausschreitungen enttäuschter Bolsonaro-Fans gab es indes nicht; landesweit verliefen die Wahlen ohne besondere Vorkommnisse.
Umfragewerte sagten Lula als Sieger voraus
Im Lager von Herausforderer Lula hatte man aufgrund günstiger Umfragen einen Sieg im ersten Durchgang erwarteten. Umso erschrockener reagierte man auf erste Hochrechnungen, die den politischen Gegner deutlich vor Lula sahen. Erst gegen 20 Uhr Ortszeit, drei Stunden nach Schließung der Wahllokale, konnte Lula den Amtsinhaber überflügeln.
Als Lula schließlich gegen 22 Uhr vor die Presse trat, gab er sich betont positiv. "Das ist nur eine Verlängerung", sagte er über die Stichwahl. Er müsse nun seine Hochzeitsreise verschieben, scherzte der 76-Jährige, der vor wenigen Monaten noch einmal geheiratet hatte.
Doch die Stimmung im Lager seines linken Parteienbündnisses ist angespannt, die Anhänger sind konsterniert. Lulas Verbündete mussten landesweit schmerzliche Niederlagen hinnehmen. So verlor sein Kandidat für den Gouverneursposten in Rio überraschend klar gegen Bolsonaros Favoriten. Im bevölkerungsreichsten Gliedstaat Sao Paulo, der Lulas politische Heimat ist, schaffte es der Bolsonaro-Mann mit einigem Vorsprung in die Stichwahl um das Gouverneursamt.
Noch schmerzhafter sind die Niederlagen im Rennen um Kongresssitze.
So verdreifachte Bolsonaros Partei PL (Partido Liberal) ihr Ergebnis von 2018 und ist jetzt stärkste Kraft. Bolsonaros ehemaliger Gesundheitsminister, der für sein nachlässiges Vorgehen bei der Pandemiebekämpfung landesweit kritisiert worden war, erhielt das beste Ergebnis aller Kandidaten in Rio de Janeiro. Der ehemalige Umweltminister Ricardo Salles, der weltweit als Verantwortlicher für die zunehmende Zerstörung des Amazonaswaldes kritisiert wurde, zog mit einem Rekordergebnis ins Parlament ein.
Beobachter sprachen gar von einer ultra-rechten Welle, die über ganz Brasilien hinweggefegt sei. Ihr fielen auch moderate Rechtsparteien wie die PSDB zum Opfer, die in ihrer einstigen Hochburg Sao Paulo in die politische Bedeutungslosigkeit abstürzte. Abgelöst wurde sie von Bolsonaros PL.
Umfrageinstitute haben sich blamiert
Lula da Silva will nun die nächsten Tage nutzen, um neue Allianzen für die Stichwahl zu schmieden. Viel zu holen gibt es da jedoch nicht. Zwar wartet man mit Spannung darauf, für wen die drittplatzierte Simone Tebet und Ciro Gomes eine Wahlempfehlung aussprechen werden. Die Zentrumspolitikerin Tebet erreichte allerdings nur rund 4 Prozent, der Sozialdemokrat Gomes enttäuschte mit drei Prozent. Beide wollen sich in den nächsten Tagen zu Empfehlungen äußern.
Blamiert haben sich am Wahlsonntag vor allem die Umfrageinstitute. In den beiden bevölkerungsreichsten Gliedstaaten Sao Paulo und Rio de Janeiro lagen ihre Vorhersagen für die Bolsonaro-Kandidaten um bis zu zehn Prozentpunkte zu niedrig. "Wir haben heute die Lügen der Umfragen besiegt", konnte sich Bolsonaro deshalb am Sonntagabend rühmen.