domradio.de: Das Bonifatiuswerk kümmert sich um Katholiken in der Diaspora, also auch um Katholiken in Island. Haben Sie sich das Spiel Island gegen England gestern angeschaut?
Monsignore Georg Austen (Generalsekretär des Deutschen Bonifatiuswerkes): Ich habe es mit Spannung verfolgt, ich habe allerdings nur Teile gesehen, vor allem auch die Schlussphase. Ich finde das doch toll, dass so ein kleines Land Überraschungen in die EM hineinbringt! Dass nicht immer nur die Topfavoriten zählen, sondern dass auch die leidenschaftlichen Isländer voller Enthusiasmus und mit einem guten Spiel nach vorne kommen.
domradio.de: Wie groß ist denn jetzt die Freude, dass Island tatsächlich im Viertelfinale steht?
Austen: Sehr groß! Zum einen für die Leute in Island selbst, das sehen wir ja, auch auf Bildern. Aber auch hier in Deutschland oder in den sozialen Netzwerke - alle freuen sich mit ihnen. Die Isländer sind natürlich auch ganz happy, wahrgenommen zu werden und so ein tolles Spiel liefern zu können. Die Freude ist wirklich echt. Und mich fasziniert auch immer wieder dieser enthusiastische Kommentator, der die Freude dann auch sprachlich, sogar schreiend zum Ausdruck bringt. Das ist schon eine Leidenschaft, die übersprüht.
domradio.de: Diese Freude und Leidenschaft sind einfach so echt, da kann man gar nicht anders, als sich mitzufreuen…
Austen: Aber so ist Island! Island ist Natur. Da ist vieles auch noch echt. Ob sie im ewigen Eis sind, in den Vulkanlandschaften oder in den Geysiren - Island ist auch noch mal ein ganz anderes Land, was vielen fremd ist. Im Moment ist es bei vielen Urlaubern, vor allem bei jungen Leuten, sehr „in“.
domradio.de: Ist der EM-Auftritt jetzt auch Werbung für dieses Land?
Austen: Ich glaube, wenn etwas eine Begeisterungsfähigkeit auslöst und Menschen etwas als sympathisch erleben, dann führt das auch dazu, sich mehr damit zu beschäftigen oder vielleicht mehr hinzugucken. Ich erlebe es ja auch gerade bei der katholischen Kirche, die zwar dort sehr klein ist, aber sehr bunt und sehr international, Das interessiert die Leute.
domradio.de: Die Katholiken leben ja in Island als kleine Minderheit - wie viele Katholiken gibt es dort überhaupt?
Austen: Es gibt etwa 330.000 Einwohner in Island auf einer Fläche von 103.000 Quadratkilometern. Und registrierte Katholiken machen davon etwa 3,6 Prozent aus, das heißt knapp 12.000. Viele davon sind Menschen mit Migrationshintergrund ein. Und es ist eine sehr stark wachsende Kirche. Wir haben gerade in Stykkisholmur, das ist oben an den Westfjorden, ein neues Zentrum eingeweiht. Eine sehr junge, lebendige Kirche, materiell arm, aber ich denke, an Lebensgeschichten, Lebensstilen und Nationalitäten reich.
Es gibt fünf Gemeinden in Island. Eine neue soll jetzt demnächst gegründet werden; eine Gemeinde hat beispielsweise einen Durchmesser von 700 Kilometern – also wie von Paderborn bis München. Und auf diesen 700 Kilometern leben 700 Katholiken. Das heißt für die Menschen ganz häufig auch, dass sie zwei bis zweieinhalb Stunden zum Gottesdienst fahren müssen. Aber es ist für die Menschen sehr wichtig, eine Beheimatung im Glauben zu haben. Und das erleben wir auch im Bonifatiuswerk sehr deutlich, welche Bereicherung eine Diaspora sein kann. Auch der Fußball zeigt, dass der Einzelne zählt, egal wo – und eben nicht nur die Größe von Ländern.
domradio.de: Was sind das hauptsächlich für Projekte, die Sie in Island unterstützen?
Austen: Also zum einen unterstützen wir dort die seelsorgliche Arbeit in pastoralen Feldern, aber zum anderen auch Bauten. Wir haben zum Beispiel ein Exerzitienhaus und ein Bildungswerk mit einer Kirche und Ordenshäusern in Stykkisholmur restauriert. Derzeit sind wir dabei, mit dem neuen Bischof, der ein Kapuziner aus der Slowakei ist, in Selfoss eine neue Kirche zu bauen. Und das finden Sie überhaupt überall in den nordeuropäischen Ländern, dass zu den Gemeinden auch immer Gemeindezentren gehören, Orte der Begegnung, wo es auch Religionsunterricht gibt. Das sind Projekte, die wir fördern. Und es gibt auf Island auch zwei Bonibusse, da steht sogar auf den Nummernschildern Bonibusse drauf. Es gibt viele junge Ordensgemeinschaften, die sich dort angesiedelt haben. Und das eben sehr international.
Das Interview führte Silvia Ochlast.