In Bonn beteiligen sich die Kirchen am Weihnachtsmarkt

Mehr als Glühwein und Rummel

Sechs Kirchenmeilen-Häuschen schmiegen sich am Rand des Bonner Weihnachtsmarktes an die massiven Mauern der romanischen Münsterkirche. Neben dem Rummel mit Riesenrad, Karussells, Glühweinbuden und Verkaufsständen wollen die evangelische und die katholische Kirche in Bonn gemeinsam dafür sorgen, dass der Kern des Weihnachtsfestes nicht in Vergessenheit gerät.

Autor/in:
Inga Kilian und Claudia Rometsch
 (DR)

"Wer bist Du denn?", fragt der kleine Junge den Mann mit dem goldfarbenen Umhang und dem grauen Bart auf dem Bonner Weihnachtsmarkt. "Ich bin der Nikolaus", klärt Gerhard Samson den Jungen auf, während die Schneeflocken um ihn herumwirbeln. Dass viele Kinder nur den Weihnachtsmann, nicht aber den Nikolaus kennen, ist Samson schon gewohnt. Auch deshalb steht er dieses Jahr zum zweiten Mal mit Mitra, Bischofsstab und Kreuz um den Hals an der sogenannten Kirchenmeile vor dem Bonner Münster.



Von außen betrachtet liegt die Kirchenmeile auf dem Bonner Weihnachtsmarkt ein wenig im Abseits. "Aber im Grunde ist sie das Herz des Marktes", sagt Stadtdechant Wilfried Schumacher. Die Kirchenmeile besteht aus fünf Marktbuden und der ökumenischen Begegnungshütte der Kirchen. Dort bieten täglich zwischen 11 und 20 Uhr ehrenamtliche Helfer aus den Bonner Gemeinden Gespräche sowie Informationen rund um die Kirchen an. Äußerlich unterscheidet sie nichts von den Glühweinständen und Bratwurstbuden auf dem restlichen Weihnachtsmarkt. "Aber auf der Kirchenmeile geht es nicht um Kommerz, sondern um die eigentliche Botschaft des Weihnachtsfestes", erklärt Schumacher.



Die Marktbuden gehören der Caritas, der Diakonie, Unicef, der Andheri-Hilfe und dem Bonner Münsterladen - gemeinnützige Organisationen, nach denen man bis vor sieben Jahren hier vergeblich Ausschau hielt. Als Stadtdechant Schumacher dies ändern wollte, wurde er von der Stadtverwaltung eines Besseren belehrt. Der Weihnachtsmarkt werde nicht nach Veranstaltungs- sondern nach Marktrecht durchgeführt. Kommerzielle Anbieter hätten Vorrang, hieß es. "Das heißt, solange nicht ein Stellplatz leer bleibt, weil kein kommerzieller Anbieter etwas verkaufen will, ist auch kein Platz für gemeinnützige Organisationen", erklärt der Sprecher des Stadtdekanats Bonn, Reinhard Sentis. Und natürlich lasse sich kein Kommerzieller das Weihnachtsgeschäft entgehen.



Großzügiger Stadtdechant

"Also habe ich beschlossen, die Verbände auf mein Grundstück zu lassen", erinnert sich Schuhmacher. Seit 2003 ist das Kirchengrundstück rund um das Bonner Münster Teil des Weihnachtsmarktes. Zur gleichen Zeit entstand auch die ökumenische Begegnungshütte, mit der die katholische Citypastoral und der evangelische Kirchenpavillon auf dem Weihnachtsmarkt vertreten sind. Ein Projekt, das laut Schumacher bundesweit einzigartig ist. "Wir wollen uns als Christen auf dem Markt präsentieren und die Weihnachtsbotschaft sichtbar werden lassen", erzählt Schumacher. Viele Menschen wüssten heute gar nicht mehr, was es mit Weihnachten auf sich habe. "Die Ehrenamtlichen versuchen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und ihnen das zu vermitteln, was Weihnachten eigentlich ausmacht, die Nächstenliebe", sagt Sentis.



Eine ökumenische Aktion auf einem Weihnachtsmarkt sei in dieser Form in Deutschland einmalig, erläutert Pfarrer Joachim Gerhardt, Sprecher des evangelischen Kirchenkreises Bonn. Jedes Jahr findet die Kirchenmeile unter einem Motto statt. Dieses Jahr lautet es "Weihnachten mit allen Sinnen erleben". In der Begegnungshütte können die Besucher Weihnachtsdüfte schnuppern, in Fühlkästen tasten und weihnachtliche Gewürze erschmecken. Darüber komme mancher Besucher auf seine Sehnsucht zu sprechen, das Weihnachtsfest mit Sinn zu füllen, sagt Gerhardt. "Und manchmal sehe ich den einen oder anderen dann an Heiligabend bei mir in der Kirche wieder."



Auch auf anderen Weihnachtsmärkten haben gemeinnützige Organisationen mittlerweile einen festen Platz. So findet beispielsweise in Münster seit vielen Jahren ein eigener "Weihnachtsbasar der Wohlfahrtsverbände" statt. Die Kirchen sind hier allerdings nicht vertreten. Und auch auf dem Christkindlmarkt in Nürnberg sucht man Caritas und Co vergeblich. In Münster organisiert eine katholische Projektgruppe stattdessen jedoch schon seit zehn Jahren den "City-Advent". Zahlreiche Veranstaltungen in der Münsteraner Dominikanerkirche laden während der Adventszeit dazu ein, sich auf Weihnachten vorzubereiten.



Angebot wird angenommen

In Bonn kommt das Angebot der Kirchen mitten auf dem Weihnachtsmarkt gut an. Beim Engelbasteln oder Plätzchenbacken ist die Bude voll. "Ich finde es wichtig, dass es hier noch etwas anderes gibt als Karussells", sagt Uta Harms, die mit ihren beiden kleinen Töchtern zum Basteln in die Hütte gekommen ist. "Hier wird der weihnachtliche Hintergrund deutlich", sagt sie und bewundert den Engel, den ihre Tochter ihr entgegenhält. Rund 60 ehrenamtliche Mitarbeiter der beiden christlichen Kirchen sorgen dafür, dass die Hütte immer besetzt ist. Passend zum Motto "Weihnachten mit allen Sinnen erleben", schenken sie duftenden Tee aus. "Ich engagiere mich gerne hier", sagt Jutta Semder vom Deutschen Evangelischen Frauenbund. "Es ist wichtig, dass die Kirche ein Gesicht zeigt."



Mittlerweile hat sich das Angebot unter den Bonnern herumgesprochen. Auch Klaudia Marcus, die gezielt die Begegnungshütte betritt, war schon häufiger hier. "Für mich ist das eine Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen", sagt sie. "In dem ganzen Trubel rund um Weihnachten geht sonst ganz verloren, worauf wir uns eigentlich vorbereiten". Genau das wollen die beiden Kirchen verhindern. "Deshalb sind wir hier", sagt Dekanatssprecher Sentis. "Weil wir nicht möchten, dass die Weihnachtsbotschaft im Glühwein ertränkt wird."