In Bosnien-Herzegowina werden Katholiken benachteiligt

Die alltägliche Diskriminierung

Diskriminierung von Minderheiten hat viele Gesichter - in Bosnien-Herzegowina sind die Katholiken eine Minderheit, der Balkan-Krieg ist immer noch in den Köpfen vieler Menschen. Und das kriegen die Katholiken auch zu spüren. Offensichtlich ist das zum Beispiel, wenn die Kirche Grundstücke nicht zurückerhält, die während des Balkan-Kriegs enteignet worden sind. Wie die Diskriminierung im Alltag aussieht, weiß Magda Kaczmarek, Referentin für Bosnien bei Kirche in Not.

 (DR)

domradio.de: Können Sie denn ein Beispiel für diese Diskriminierung nennen?

Magda Kaczmarek: Wir merken, dass die Menschen dort in Bosnien sehr enttäuscht sind, dass so viele Jahre nach dem letzten Balkan-Krieg eben die Benachteiligungen weiterhin andauern. Die Kirche bemüht sich, um ihre Grundstücke zu bekommen, die Kirche bemüht sich um die Baugenehmigungen. Sie möchten gern, dass die Katholiken dort weiterhin leben, dass sie auch in ihre Häuser zurückkehren, dass sie in würdigen Verhältnissen leben können, dass sie Strom und Wasser zum Leben haben, dass sie Arbeit haben, dass sie wegen der Arbeitslosigkeit nicht dass Land verlassen müssen. Das ist alles sehr, sehr schwierig. Darum kämpfen die Bischöfe vor Ort, sie sind sozusagen die Stimmen für die Kroaten dort, für die Katholiken dort. Und das geht nur sehr schwer voran.



domradio.de: Das heißt die Katholiken dort haben Probleme, so ganz alltägliche Dinge zu bekommen, wie zum Beispiel die Stromversorgung und die Wasserversorgung, habe ich Sie da richtig verstanden?

Kaczmarek: Das ist richtig. Es gibt noch Häuser, zum Beispiel in der Diözese Banja Luka in der Republik Srpska, wo die Menschen zurückgekehrt sind, sie spüren dort ihre Heimat und ihre Wurzeln, sie möchten dort nach dem Krieg, in dem sie vertrieben wurden, weiterleben, können aber nur sehr schwer dort ihr Leben wieder aufbauen. Das ist ein Beispiel dafür, dass sie dort nicht willkommen sind.



domradio.de: Wie können sich die Katholiken vor Ort denn gegen diese Diskriminierung wehren?

Kaczmarek: Die katholische Kirche ist zum Beispiel eine Institution, die versucht, die Menschen zu ermutigen, in diesem Land zu bleiben. Wenn man bedenkt, dass 60% der jungen Menschen das Land verlassen möchten, weil sie keine Perspektive, keine Zukunft in dem Land sehen, dann ist das traurig. Die Kirche ist bemüht, die Jugend des Landes zu behalten, indem sie zum Beispiel schon vor vielen Jahren diese europäischen Schulen eingeführt hat, wir helfen und unterstützen die Kirche da sehr. Das sind Schulen, die im Prinzip ein Zeichen, ein Symbol darstellen, dafür dass die jungen Menschen in Frieden aufwachsen, dass sie auch einen Beitrag leisten zum friedlichen Miteinander. Ein Großteil der Schüler - es gibt Grundschulen wie auch Gymnasien - sind Orthodoxe und Muslime. Das ist natürlich ein wichtiger Faktor. Die Schulen haben einen sehr guten Ruf, und das ist ein Zeichen, dass die katholische Kirche doch ein gewisses Ansehen im Volk genießt.



domradio.de: Der Vatikan und Bosnien-Herzegowina haben ein Abkommen unterzeichnet. Wie kann der Vatikan jett noch weiter darauf Einfluss nehmen, dass diese Diskriminierung gegen Katholiken endet?

Kaczmarek: Wir hatten im Mai letzten Jahres während unserer Reise ein Gespräch mit dem Nuntius in Sarajewo; auch er weiß Bescheid, dass die Zahl der Katholiken sehr gering ist, dass sie sich weiter verringert. Er ist der Meinung, dass man alles unternehmen muss, um die Menschen im Land zu halten; dass alle Initiativen der Kirche in diese Richtung gehen müssen, damit man den Menschen das Gefühl gibt, dass sie dort in ihrer Heimat friedlich und ohne Probleme leben können und dass es dort auch eine Zukunft für sie gibt, dass sie gemeinsam eine Zukunft aufbauen können - ohne Hass, den es in der Vergangenheit schon genug gab.



domradio.de: Was sagen denn die Politiker in Bosnien-Herzegowina zu dieser Diskriminierung - wird das stillschweigend mitgetragen?

Kaczmarek: Die Katholiken sind eine Minderheit - das ist eine Tatsache. Nichtsdestotrotz leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Zusammenleben, das wissen die Politiker auch. Es ist ein konstitutives Volk, das ist auch eine wichtige Sache, dennoch wird das alles leider oft nicht beachtet. Die Bischöfe sind die Stimmen der Kroaten dort, sie appellieren immer lautstark an die internationale Gemeinschaft. Wichtig ist, dass die Kroaten einfach den Eindruck haben: Wir wollen hier leben, weil wir, wie die anderen auch, das Recht auf ein Leben in diesem Land haben. Und sie haben das Recht darauf!



Das Interview führte Christian Schlegel





Hintergrund

In Bosnien-Herzegowina werden Katholiken nach Informationen von "Kirche in Not" weiterhin benachteiligt. Grundstücke, die der Kirche während des Balkankriegs genommen worden seien, habe sie bis heute nicht zurückerhalten, sagte der Priester und Ökonom der Diözese Banja Luka, Anton Maric, am Dienstag dem in München ansässigen internationalen Hilfswerk. Außerdem müssten katholische Familien in manchen Pfarreien jahrelang auf einen Stromanschluss warten, während dieser für Andersgläubige schnell bereitgestellt würde.



Maric beklagte auch, dass Priester keine medizinische Versorgung erhielten. Dabei hätten der Vatikan und Bosnien-Herzegowina ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet. Im Übrigen seien die meisten Katholiken im Krieg ins überwiegend katholische Kroatien geflohen, weil sie in ihrer Heimat keine Perspektive gesehen hätten. Nach Angaben der Katholischen Bischofskonferenz von Bosnien-Herzegowina lebten vor Ausbruch der Kämpfe im ehemaligen Jugoslawien mehr als 835.000 Katholiken im Land. Im Jahr 2010 seien es nur noch etwas über 441.000 Gläubige gewesen.