"Bolsonaro ist für eine Kultur der Gewalt verantwortlich", sagte der Kirchenvertreter aus dem Südosten Brasiliens im Gespräch mit der Wiener Presseagentur Kathpress.
Der Weihbischof im Erzbistum Belo Horizonte hält sich derzeit in Europa auf, um auf umweltschädlichen Bergbau und Menschenrechtsverletzungen im größten Staat Lateinamerikas aufmerksam zu machen.
Kein Wahlversprechen eingelöst
Der Rechtspopulist Bolsonaro habe seit seinem Amtsantritt 2019 keines seiner Wahlversprechen einlösen können, sagte Bischof Ferreira.
Stattdessen treibe er eine Aufweichung von Menschenrechten voran, habe bei der Eindämmung der Corona-Pandemie versagt und zeichne sich durch ökonomische Inkompetenz aus.
"In Brasilien gibt es schätzungsweise 20 Millionen Hunger leidende Menschen, die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor sehr hoch", so der Bischof.
In seiner Amtszeit sei deutlich zum Vorschein gekommen, dass es Bolsonaro an Empathie und Sensibilität mangele; das zeige sich, wenn er etwa geradezu verächtlich über Corona-Tote oder Geflüchtete spreche.
Gesellschaft gespalten
Brasiliens Gesellschaft sei gespalten; daran werde auch die Präsidentenwahl im Oktober nichts ändern, prognostiziert Ferreira.
Es sei durchaus vorstellbar, dass Bolsonaro diese Wahl verliere; das heiße aber noch lange nicht, dass er eine Niederlage auch akzeptieren werde.
"Er respektiert die Regeln der Demokratie nicht und kennt keine Grenzen." Zu befürchten sei auch, dass der Freund Donald Trumps ähnlich wie dieser im Fall einer Niederlage seine treuen Anhänger aufstacheln könnte, für Unruhe zu sorgen.
Bolsonaro gehe es ausschließlich um Wirtschaftsinteressen. Menschenrechte, insbesondere die der indigenen Bevölkerung, seien für den Politiker kein Hindernis, etwa immer größere Teile des Amazons-Regenwalds zur Abholzung freizugeben, betont der Bischof, der Mitglied der Kommission für ganzheitliche Ökologie und Bergbau der Brasilianischen Bischofskonferenz ist.
Dammbruch-Katastrophe wirkt bis heute nach
In der Bergbauortschaft Brumadinho im Südosten Brasilien herrscht unterdessen auch über drei Jahre nach dem verheerenden Dammbruch in einer Eisenerzmine, der mindestens 272 Menschen das Leben kostete, "Trauer und Leid".
Das berichtete Weihbischof Vicente de Paula Ferreira aus der Erzdiözese Belo Horizonte, in deren Gebiet sich die Ortschaft befindet, weiter. Die Menschen würden nach wie vor von der Politik und den involvierten Bergbaufirmen nicht gehört. Erst zu Jahresbeginn seien infolge massiver Regenfälle wieder Unmengen giftigen Schlamms in die Häuser geschwemmt worden, so Ferreira.
Der Bischof, der Mitglied der Kommission für Ökologie und Bergbau der Brasilianischen Bischofskonferenz ist, ist derzeit in Europas zu Gast, um auf umweltschädlichen Bergbau in seiner Heimat aufmerksam zu machen. Aus den Schlammmassen seien noch immer nicht alle Leichen geborgen worden; mindestens sechs Personen gelten noch als vermisst, berichtete Ferreira.
Als das Abraumbecken der Eisenerzmine "Corrego do Feijao" in der Provinz Minas Gerais Ende Januar 2019 brach, ergossen sich 13 Millionen Kubikmeter Schlamm auf die Kleinstadt Brumadinho.
Einwohner und Mitarbeiter des multinationalen Bergbauunternehmens "Vale" wurden unter teils meterdicken Schlammschichten begraben. Trinkwasser für Tausende wurde durch giftige Substanzen teils so verseucht, dass etwa Gemüse, das die Menschen in ihren Gärten anbauen, bis heute kontaminiert ist.
Von der Politik alleingelassen
Nach wie vor würden die Anwohner von der Politik und von "Vale" allein gelassen, beklagt der Weihbischof. Entschädigungen kämen bei vielen Betroffenen nicht an. "Vale entscheidet, wen sie entschädigen und wen nicht"; Menschen, die nicht in direkter Nähe zum Unglücksort leben, würden etwa nicht berücksichtigt, obwohl auch ihr Wasser verseucht sei oder sie einen direkten Angehörigen verloren haben.
Viele Betroffene hätten der Macht des Großkonzerns nichts entgegenzusetzen, kritisiert der Bischof. Er fordert eine kollektive Entschädigung für alle Betroffenen.
Es gehe darum, den Menschen ein Leben ohne Abhängigkeit vom Bergbau zu ermöglichen. Dies gehe nur in einem langsamem, schwierigen Prozess, so Ferreira; doch es gebe in der Region alle Voraussetzungen für ein Leben ohne Bergbau. Die Kirche unterstütze gezielt Landwirtschaftsprojekte, Ökotourismus oder Kulturangebote in der Region. Wichtig sei auch eine Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung.
Es brauche junge, kritische Menschen, die sich den Großunternehmen entgegenstellen. Bergbau gehe in Lateinamerika zumeist mit massiven Verletzungen von Menschenrechten und Umwelt von Rechten der Mutter Erde einher.