Brienzer Pfarrer sorgt sich um evakuierte Dorfbewohner

"Man muss sich neu erfinden"

Ein Geröllfeld bedroht das Schweizer Dorf Brienz. Rund 90 Bewohner mussten ihre Häuser auf unbestimmte Zeit verlassen. Pfarrer Don Federico Pelicon lässt die Dorfkirche aber weiter anstrahlen und auch die Glocken läuten noch.

Der Kirchturm im Dorf Brienz-Brinzauls unterhalb des Felsrutsches. / © Gian Ehrenzeller/KEYSTONE (dpa)
Der Kirchturm im Dorf Brienz-Brinzauls unterhalb des Felsrutsches. / © Gian Ehrenzeller/KEYSTONE ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Berg über Briens kann jeden Moment auf das Dorf stürzen. Wie ist aktuell die Lage ganz bei Ihnen? 

Ein Blick über Brienz-Brinzauls. Ein riesiger Schutt- und Steinstrom droht das Schweizer Dorf mitzureißen. Die rund 80 Einwohner mussten ihre Heimat nun verlassen. / © Til Buergy (dpa)
Ein Blick über Brienz-Brinzauls. Ein riesiger Schutt- und Steinstrom droht das Schweizer Dorf mitzureißen. Die rund 80 Einwohner mussten ihre Heimat nun verlassen. / © Til Buergy ( dpa )

Don Federico Pelicon (Dorfpfarrer in Brienz): Es ist nicht der Berg der abstürzen kann, es ist eine Schutthalde mit ungefähr 1,2 Millionen Kubikmeter Geröll. Die ist vor anderthalb Jahren auch schon abgestürzt und das kann sich wiederholen. Das gesamte Gebiet ist ein bisschen instabil. Jetzt musste die Menschen das zweite Mal das Dorf verlassen und man stellt sich schon die Frage, wann und wie man zurückkommen kann.

Don Federico Pelicon

"Das Dorf ist eigentlich zerstreut worden. Die Leute sind nicht mehr zusammen."

DOMRADIO.DE: Wie leben die Menschen mit dieser ständigen Gefahr?

Pelicon: Hier herrscht eine allgemeine Frustration, das ist ganz klar. Die Leute sind sehr verbunden mit dem Heimatort. Es ist nicht einfach, das Dorf zu verlassen. Da sind die Bauern, die wirklich leiden, weil eine mögliche Perspektive die ist, dass man nicht zurückkommen kann. 

Dann muss man sich mit Kreativität in einer neuen Situation neu erfinden. Das ist von der emotionalen und der menschlichen Seite nicht einfach. Das Dorf ist eigentlich zerstreut worden. Die Leute sind nicht mehr zusammen.

DOMRADIO.DE: Worüber sprechen die Menschen mit Ihnen? Was sind dann so die häufigsten Fragen? 

Pelicon: Ich möchte über persönliche und vertrauliche Gespräche nichts sagen. Allgemein kann man nur sagen, dass die Situation sehr schwierig ist. Die Menschen hier sind auch nicht sehr fromm, aber sie haben einen starken Glauben und sie sind sehr traurig.

Don Federico Pelicon

"Wir wollen immer noch die Botschaft der Hoffnung weiterleiten."

DOMRADIO.DE: Im Dorf steht die katholische Sankt Calixtus Kirche. Obwohl das Dorf jetzt ein Geisterdorf ist, läuten die Glocken Brienz weiter. Die Kirche bleibt angestrahlt. Was ist Ihre Botschaft dahinter? 

Pelicon: Wir wollen immer noch die Botschaft der Hoffnung damit weiterleiten, die Botschaft der Liebe, die die Kirche zu den Menschen hat. Dass wir an den Heiligen Geist glauben und dass der Herr uns durch alle Situationen begleitet, auch durch die, die vielleicht nicht so gemütlich sind.

DOMRADIO.DE: In der Kirche stand ein großer Flügelaltar, der abgebaut und abtransportiert worden ist. Welche Bedeutung hat dieser Altar für die Kirche und das Dorf?

Pelicon: Das ist ein sehr wertvoller Altar, der in Bayern gebaut wurde, mit sehr besonderen Schnitzereien. Die Hauptfigur des Altars ist eine Madonna mit dem Kind. Aber auch der Heilige Calixtus ist da, noch mit anderen Heiligen, die mit dem Ort verbunden sind. Der Heilige Calixtus ist aber der, an den sich die Bewohner in der Not wenden.

Don Federico Pelicon

"Dieses Jahr kommt sogar der Bischof, um seine Solidarität zu zeigen."

DOMRADIO.DE: In gut einem Monate feiern wir Weihnachten. Glauben Sie, die Menschen in Brienz, werden das Fest in ihren eigenen vier Wänden feiern?

Pelicon: Das ganze Tal ist eine Kirchengemeinde und wir werden Weihnachten in einem anderen Dorf feiern. Dieses Jahr kommt sogar der Bischof, um seine Solidarität zu zeigen und um die Leute zu treffen. Weihnachten ist immer eine Gelegenheit, dass das ganze Tal als Kirchengemeinde zusammenkommt und wir uns dann wie eine große Familie fühlen.

Das Interview führte Carsten Döpp.

Quelle:
DR