Britischer Komponist erhält Preis europäischer Kirchenmusik

Musikalische Genre-Grenzen

Die Friedensmesse "The Armed Man" von Karl Jenkins wird im Schnitt zweimal pro Woche irgendwo auf der Welt aufgeführt. Auch sein neues Werk verspricht Rekorde. Nun wird der Meister des musikalischen Cross Over 80 Jahre.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
Ein Musiker blättert in Noten am 11. November 2023 bei einer Musikprobe in der Brotvermehrungskirche des Benediktinerklosters Tabgha, Israel. / © Andrea Krogmann (KNA)
Ein Musiker blättert in Noten am 11. November 2023 bei einer Musikprobe in der Brotvermehrungskirche des Benediktinerklosters Tabgha, Israel. / © Andrea Krogmann ( KNA )

Kürzlich gab es mal wieder Zoff um das populärste Werk von Sir Karl Jenkins: die Friedensmesse "The Armed Man". Diesmal stritt man im Schweizer Kanton Freiburg um die Frage, ob der darin enthaltene muslimische Gebetsruf "Allahu Akhbar" (Gott ist groß) in einer Kirche ertönen darf; er darf nicht, entschieden die Verantwortlichen.

"In einer Zeit stärkerer Polarisierung" müsse man Störungen vermeiden. Dabei will Jenkins mit der Messe gerade betonen, dass die Religionen gemeinsam für Frieden eintreten. Das ist auch das Credo des jüngsten Werks "One World" von Sir Karl, der am Samstag 80 Jahre alt wird.

"Genre-Grenzen überschreiten"

Am Mittwoch wurde bekannt, dass Jenkins den Preis der Europäischen Kirchenmusik 2024 erhält. Die Stadt Schwäbisch Gmünd ehrt ihn für sein "kompositorisches Schaffen, das Genre-Grenzen überschreitet und Menschen weltweit erreicht".

Die Mischung aus Elementen der lateinischen Messe und aus anderen Religionen, fetzigen Rhythmen und Weltmusik kommt an: Seit April 2000 wurde "The Armed Man" etwa 3.000 Mal aufgeführt, seit über 18 Jahren ist es in den britischen Albumcharts. Damit zählt Sir Karl, der auch durch Kompositionen für Werbung und Film, aus Weltmusik, Pop und Jazz bekannt wurde, zu den meistaufgeführten lebenden Komponisten.

Meister des musikalischen Cross Over

"Seit ich das Stück den Opfern im Kosovo gewidmet habe, haben Krieg und Konflikte leider nicht nachgelassen", sagt der Künstler über "The Armed Man". "Aber wir werden weiterhin mit Musik der Opfer gedenken und darauf hoffen, dass die Menschheit einen Weg zur Heilung finden kann."

In diesem Sinne schuf der Meister des musikalischen Cross Over die Suite "One World" für Sologesang, Chor und Orchester, bestückt mit Texten aus verschiedenen Religionen und Kulturen. Am besten sei der Geist des Werks im hebräischen Stück "Tikkun Olam" ("die Welt heilen") erfasst, so Jenkins.

Offenheit als Stärke?

Als erster walisischer Komponist wurde er 2014 von der Queen geadelt. Für die Krönung von König Charles III. im Mai 2023 durfte er ein Musikstück schreiben: "Tros y Garreg", ein Arrangement eines walisischen Volksliedes. Auch seine Jubiläumstour begann mit einem internationalen Chorprojekt mit mehreren hundert Mitwirkenden in der New Yorker Carnegie Hall.

So viel Genre-Vielfalt lässt manche Kritiker die Nase rümpfen. Andere sehen genau diese Offenheit als Stärke. Für all das heimst Jenkins zahllose Gold- und Platinschallplatten ein, Professuren und Ehrendoktorwürden sowie internationale Preise bis zum Golden Globe. Er selbst nennt sich einen "musikalischen Wanderer".

Auch Musik für die Werbung

Im Gepäck hat er dafür eine klassische Musikausbildung, die früh beginnt: Sein Vater, selbst Lehrer, Chorleiter und Organist, gibt ihm Klavierunterricht. Karl studiert an der Royal Academy of Music in London, wird Erster Oboist im National Orchestra of Wales, befasst sich aber auch mit Jazz und anderen Richtungen der "U-Musik". 1975 heiratet er die walisische Musikerin Carol Barratt, die Texte für viele seiner Werke schreibt. Der Keyboarder, Oboist und Saxofonist spielt in den Bands "Nucleus" und "Soft Machine" und gründet in den 90ern das Musikprojekt "Adiemus".

"Adiemus" heißt auch die sphärische Hymne, mit der eine Fluggesellschaft wirbt - und die die Charts stürmt. Ähnlich erfolgreich ist das Streicherstück "Palladio" aus einer Diamantenwerbung. "One World" nutzt Jenkins wiederum für seine politische Vision: ein Planet, "wo die Wahrheit die Wahrheit ist und News niemals 'fake' sind, wo politische Führer nicht lügen und alle Religionen in Frieden zusammenleben", erläutert der Künstler.

Musik als Friedensmanifest

Auch seine Friedensmesse endet mit optimistisch stimmenden Rhythmen. Dennoch stellt sich bei der Aufführung in Kirchen die Frage: Ist die Anrufung Allahs unter dem Kreuz zulässig? "Nein", sagten etwa die Verantwortlichen am Berliner evangelischen Dom 2007 und verlegten die Aufführung in ein Konzerthaus.

Im gleichen Jahr untersagte auch der Primas der anglikanischen Kathedrale von Nelson in Neuseeland das Musikstück. Eine ähnliche Debatte entflammte nach einer Aufführung im Herbst 2023 in der Pariser Kirche Sainte-Trinite. Offenbar besteht noch viel Bedarf an Friedensmanifesten wie der Musik von Karl Jenkins.

Kirchenmusikalische C-Ausbildung

Auch zu Beginn des kommenden Jahres bietet das Erzbistum Köln wieder einen neuen Kurs zur Erlangung des C-Examens an.

Neben dem vollständigen Ausbildungsgang, der zur Bekleidung einer Kirchenmusikerstelle (Teilzeitbeschäftigung) in allen Bereichen befähigt, besteht auch die Möglichkeit der Teilbereichsqualifikation für Orgel oder Chorleitung.

Symbolbild: Kirchenmusik/Orgel / © Villiers Steyn (shutterstock)
Symbolbild: Kirchenmusik/Orgel / © Villiers Steyn ( shutterstock )
Quelle:
KNA