DOMRADIO.DE: Es tut Ihnen doch wahrscheinlich in der Seele weh, wenn Sie Silvester in den Himmel schauen und sehen, dass das Geld im wahrsten Sinne des Wortes in Rauch aufgeht, oder?
Dagmar Pruin (Leiterin des evangelischen Hilfswerks Brot für die Welt): Da haben Sie absolut recht und wir hatten letztes Jahr ein Rekordjahr, was den Verkauf von Böllern und von Feuerwerk anging. Und ich würde mich einfach total freuen, wenn wir statt dieses Knallens und statt der vielen Raketen etwas weniger Raketen im Himmel haben und dafür ein Feuerwerk der guten Arbeit im globalen Süden feiern könnten. Das würde mich total erfreuen.
DOMRADIO.DE: In diesem Jahr wird wahrscheinlich 200 Millionen Euro allein in Deutschland mit Feuerwerkshandel umgesetzt. Was könnte denn Brot für die Welt nur mit einem Bruchteil davon machen?
Pruin: Ich kann Ihnen gar nicht genau sagen, was ein einzelner Böller oder eine einzelne Rakete kostet. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir schon für einen Euro in Burkina Faso, wo unsere Partnerorganisation arbeitet, ein Kilo traditionelles Hirse-Saatgut kaufen können und was dann ausgesät werden kann, ein Kilo Saatgut für 1 Euro. Ich glaube, das rückt das Ganze ganz gut in die Perspektive.
DOMRADIO.DE: Die Idee ist ja in Schleswig Holstein 1981 entstanden. Was war denn damals der Auslöser für die Aktion "Brot statt Böller"?
Pruin: Das war eine Kirchengemeinde, die sehr engagiert war. An Weihnachten wird ja traditionell für Brot für die Welt gesammelt. Und da ist die Idee entstanden, gemeinsam zu spenden, gemeinsame Aktionen zu machen. Und da ist dann dieser ganz eindrückliche Slogan entstanden: Brot statt Böller. Denn ganz viele Menschen wissen gar nicht, dass der mit Brot für die Welt zusammenhängt.
DOMRADIO.DE: Was gibt es noch für Aktionen und Aktivitäten, die Brot für die Welt in Bezug auf Brot statt Böller unterstützt?
Pruin: Brot für die Welt arbeitet in ganz vielen Ländern im globalen Süden. Und wie es unser Titel schon sagt, ist die Ernährungssicherung nach wie vor im Zentrum unserer Arbeit.
Für 50 € können wir eine Bäuerin oder ein Bauer in Malawi darin schulen, Permakultur anzulegen. Das sind Mischkulturen, wo man ganz effektiv das Regenwasser nutzt. Und das heißt, es ist eine neue Art der Landwirtschaft, die zum einen dafür sorgt, dass Menschen sich besser ernähren können und die gleichzeitig auch das Klima schützt. Und das ist bei ganz vielen Aktionen, die Brot für die Welt mit den Partnerorganisationen fördert, der Fall.
Es geht um Ernährungssicherung auf der einen Seite und es geht auf der anderen Seite aber auch darum, so anzubauen, dass der Anbau nachhaltig ist und dass das Klima geschützt wird, weil das eine große Herausforderung gerade auch im globalen Süden ist, sich auf den menschengemachten Klimawandel einzustellen.
DOMRADIO.DE: Die Polizei fordert seit Jahren Böllerverbote, die Umweltverbände ebenso. Was für Möglichkeiten sehen Sie denn überhaupt, Menschen von Zurückhaltung zu überzeugen, gerade jetzt, wo wir Kriege in der Welt haben, wo der Mensch einfach auch mal irgendwie ein bisschen feiern möchte?
Pruin: Also ich bin die Letzte, die den Menschen das Feiern verbieten möchte. Ich finde das Feiern miteinander total wichtig. Es geht ja nicht darum, dass wir uns gegenseitig den Spaß verbieten.
Was ich aber wichtig finde, ist dieser Gedanke, dass genug für alle da ist, weil wir produzieren heute schon 2,5 fache an Kalorien, was wir bräuchten, um alle satt zu bekommen. Eine Welt ohne Hunger ist möglich. Und diesen Gedanken in das Feiern reinzunehmen und dann eben nicht so viele Raketen in den Himmel zu schießen, sondern die Hälfte und dafür dann mit der anderen Hälfte Brot für die Welt zu unterstützen und zu unterstützen, dass auch andere Menschen feiern können. Das finde ich eigentlich den richtigen Gedanken.
Es ist genug für alle da und wir können damit leben und das Leben gestalten. Und ich stelle fest, immer wenn ich mit Menschen darüber rede, dann wollen die natürlich, dass es den Menschen in anderen Teilen der Welt auch gut geht und die wollen, dass wir nicht auf Kosten der anderen leben. Und diesen Gedanken würde ich gerne ins Feiern mit reinnehmen und auf keinen Fall das Feiern verbieten. Auch mir selbst nicht.
Das Interview führte Oliver Kelch.