Bruder Paulus zum Fall Hoeneß

"Er muss abtreten"

Darf jemand, der sich selbst der Steuerhinterziehung in großem Stil bezichtigt, Präsident des größten deutschen Fußballvereins bleiben? Nein, meint Kapuzinerpater Paulus Terwitte im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Vom Paulus zum Saulus titelt heute eine deutsche Tageszeitung. Finden Sie dieses Gleichnis passend für den Fall Hoeneß?

Bruder Paulus: Ich glaube, man darf den Menschen jetzt nicht einfach so verurteilen. Er hat im großen Stil das getan, was im kleinen Stil bei sehr vielen Menschen gang und gäbe ist, nämlich dem Staat doch irgendwie nicht alles anzuzeigen, was man gewonnen hat und welche Erträge man gehabt hat. Weil der Staat vielen Menschen wie ein Feind vorkommt und das Bewusstsein schwindet, dass Steuern dem Gemeinwohl dienen sollen.

domradio.de: Wird es wohlhabenden Bürgern in Deutschland in Steuersachen nicht zu einfach gemacht? Ist da die Versuchung zu sündigen nicht enorm groß?

Bruder Paulus: Die Versuchung ist schon sehr groß, und diese Möglichkeit der Selbstanzeige gilt ja vor allen Dingen jenen, die genug Geld haben, um ihre Vorgehensweise lange genug zu verschleiern. Wir brauchen eine neue gesellschaftliche Diskussion darüber, wie Steuern eingesetzt werden. Da werden wir wohl auch noch eine neue politische Debatte bekommen müssen, damit die Bürger wieder lieber Steuern zahlen und auch wissen: Das ist unser Geld, das wir durch unsere demokratischen Mechanismen gerecht verteilen wollen.

Wir müssen offen auch über die Problematik reden, dass Steuerhinterziehung wie ein Kavaliersdelikt behandelt wird. Da haben die staatlichen Institutionen vor allen Dingen dafür zu sorgen, dass wir mehr ein Empfinden dafür bekommen, dass die Steuern gerecht erhoben und gerecht eingesetzt werden. Das bedarf der ständigen gesellschaftlichen Debatte. Der Staat ist weder eine Selbstbedienungsladen, wo sich jeder nehmen kann, was er gerne will. Er ist aber auch nicht jemand, der uns das Geld nach Belieben aus der Tasche ziehen kann. Dieser gesellschaftliche Diskurs über den Sinn von Steuern muss wieder ganz neu geweckt werden, das Verständnis dafür, dass Steuern dem Gemeinwohl dienen und unser menschliches Zusammenleben schützen und stützen.

domradio.de: Wieso werden aus sogenannten „Moralaposteln" Sünder? Ist die Fallhöhe da besonders hoch?

Bruder Paulus: Jeder, der öffentlich auftritt, ist ja bemüht, sich ein bestimmtes öffentliches Image zuzulegen, und natürlich auch laut jene Werte zu vertreten, die im Staat gerne gehört werden. Das ja in der Kirche auch so: Auch Priester und Bischöfe predigen ja gerne die Werte des Evangeliums. Wir wissen als Kirche aber auch, dass dahinter immer auch ein Mensch steckt, der in sich die großen Auseinandersetzungen hat, wie er selber diese Werte auch leben und den Einflüsterungen der Schlange widerstehen kann. Wie er nein sagen kann und sagen: "Gott sieht alles, und vor Gott möchte ich eine Freiheit leben, die im Einklang mit den göttlichen Geboten ist, weil das die richtige Freiheit ist."

domradio.de: Hoeneß hatte sich ja auch selber angezeigt. Was meinen Sie, wollte er nur seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, oder packte ihn doch noch die Moral?

Bruder Paulus: Das müssen wir seinen Seelsorger fragen! Ich glaube, es hat schon etwas damit zu tun, dass ihm langsam der Boden unter den Füßen zu heiß wurde. Und damit ist diese Selbstanzeige keine moralische Meisterleistung.

domradio.de: Kann denn jemand wie Uli Hoeneß noch Präsident eines so großen und erfolgreichen Fußballclubs bleiben? Er hat ja auch eine Vorbildfunktion, oder?

Bruder Paulus: Meines Erachtens muss er abtreten, denn durch die Vorenthaltung von Steuergeldern hindert man auch Kommunen daran, Fußballjugend aufzubauen, Plätze sauber zu halten, die ganzen sportlichen Aktivitäten in unser Gesellschaft leben auch von Steuergeldern. Wer so eklatant gegen die Steuergerechtigkeit verstößt, der hat einfach Diebstahl begangen, und ich finde Diebe sollte man dann zumindest laufen lassen von ihren vollen Posten. Ich denke, er ist anständig genug und tritt in dieser Woche selber zurück.

Das Interview führte Matthias Friebe.


Quelle:
DR
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