DOMRADIO.DE: So lange waren keine Jugendgruppen bei Ihnen, die sonst ja jedes Jahr kommen - wegen der Pandemie. Wie viele Jugendliche erwarten Sie denn jetzt zu Ostern in Taizé? Das ist ja eigentlich eine sehr beliebte Zeit, dorthin zu fahren.
Frère Thimotée (Bruder von Taizé in Frankreich): Nachdem wir jetzt zwei Jahre erlebt haben, wo in sehr unterschiedlichem Umfang Menschen da waren und gerade die letzten Osterfeste, die eigentlich ein Fixpunkt im Jahr sind, sehr, sehr ruhig waren - ein Jahr, wo niemand da war und ein Jahr, wo wenige Leute da waren - ist das jetzt das erste Mal wieder ein Osterwochenende mit 1.500 bis 1.600 Leuten. Auch ein Teil derer, die vor der Pandemie jedes Jahr kamen, sind da. Insofern hat man den Eindruck, es geht wieder etwas los, was zwei Jahre nur sehr eingeschränkt möglich war.
DOMRADIO.DE: Die Menschen, die nach Taizé fahren, sind sowieso sehr viel an der frischen Luft dort. Aber trotzdem teilt man sich ja Zelte und Zimmer mit Fremden teilweise, sitzt mit Tausenden in der großen Kirche und singt abends gemeinsam zu Gitarrenmusik. Wie steht das Corona-Konzept vor Ort?
Thimotée: 1.500 Leute sind immer noch weniger als die 4.000 oder 5.000, die wir vor der Pandemie hatten. Eigentlich ist unsere Kirche ja für mehr Leute ausgelegt, so dass es auch mit den Zahlen, die wir jetzt haben, durchaus möglich ist, nicht zu eng aneinander zu sitzen. Auch für die Unterkünfte gelingt es, etwas weniger zu mischen oder nicht alle Betten zu belegen. Die wirklich einschränkenden Maßnahmen sind in Frankreich Mitte März größtenteils weggefallen. Es gibt keine Auflagen mehr, 3G oder 2G umzusetzen und es gibt auch jetzt im Rahmen der Treffen keine Maskenpflicht mehr. In Frankreich gilt die Maskenpflicht noch im öffentlichen Nahverkehr und in Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen, aber sonst nicht. Insofern bleibt es jeder Person, die teilnimmt, selbst überlassen, ob er oder sie Maske tragen will oder nicht.
DOMRADIO.DE: Wie ist die Stimmung unter den Brüdern? Circa drei Jahre war man ja quasi fast allein im Ort. Sie haben gesagt, zwischendurch waren ein paar Leute da, aber natürlich nicht so viele wie sonst. Freuen die sich jetzt darauf, dass wieder Leben einkehrt und so viele Leute da sind?
Thimotée: Ja, es ist schon schön zu sehen, das manches wieder möglich wird. Es wird spannend sein zu sehen. Man darf nicht übertreiben. Es gab vorher auch Momente in den französischen Herbstferien, wo mal 700 bis 800 Leute da waren. Es ist nicht so, als wenn es zwei Jahre komplett gar nichts gewesen ist. Aber trotzdem bringt uns das wieder einen Rhythmus, der anknüpft an das, was vorher war. Das ist schön zu sehen und andererseits auch spannend, jetzt mit den Teilnehmenden auch gemeinsam rauszufinden: Was haben die zwei Jahre jetzt eigentlich mit uns gemacht? Sowohl mit denen, die kommen, als auch mit uns, die wir immer hier waren. Was gibt es für Ideen, was sich in dem Treffen auch neu gestalten könnte in den kommenden Monaten und Jahren? Aber das ist noch sehr früh. Das kann man jetzt nur Schritt für Schritt miteinander herausfinden.
DOMRADIO.DE: Wir leben ja gerade wirklich in einer sehr aufgewühlten Welt. Die Corona-Pandemie, jetzt der Krieg in der Ukraine. Es gibt sehr viel Leid um uns herum. Wie wird in dieser Zeit oder in diesen Zeiten in Ihrer Gemeinde Ostern gefeiert?
Thimotée: Wir beten sehr regelmäßig für die Situation in der Ukraine und alle Menschen, die da in unterschiedlichster Form von betroffen sind. Das Thema geht uns sehr nahe. Es gab die letzten Jahre ja immer auch Gruppen aus der Ukraine, die sowohl hierher gekommen sind als auch zu den europäischen Treffen zum Jahreswechsel. Insofern sind einerseits bei uns viele Kontakte da, aber auch bei den Gästen aus anderen Ländern, die sonst zu uns gekommen sind. Als der Krieg begonnen hat, haben Gruppenverantwortliche mir geschrieben: Ich denke so viel an die Ukrainer, die ich bei euch getroffen habe. Es gibt Gruppen von Geflüchteten auf der Durchreise, die teilweise hier Station machen. Wir sind auch in Kontakt hier in der Umgebung mit Menschen, die hier ankommen und schauen, wie wir unterstützen können und bringen manchmal auch Menschen in Kontakt, von denen wir wissen, dass sie das Land verlassen und anderswo in Europa Orientierung suchen.
Das Thema ist sehr präsent und trotzdem ist natürlich in der Karwoche auch diese Hoffnung da, dass in all dem Leid, was in unserer Welt präsent ist und was in unseren Gebeten und Gedanken und auch Tätigkeiten präsent ist, dass es trotzdem eine eine Hoffnung gibt, die all das umfassen kann.
Das Interview führte Michelle Olion.