DOMRADIO.DE: Von der Empore schweben mit Gas gefüllte Seifenblasen langsam senkrecht zu Boden und zerplatzen an einem elektrischen Draht. Der Künstler Ariel Schlesinger sagt, es sei für ihn eine menschliche Maschine. Wie können wir das verstehen?
Dr. Kai Kullen (Kurator im Kunstbeirat von St. Peter): Menschlich ist sie vor allen Dingen, weil sie für Geburtstagfeiern, Lebensfreude, Seifenblasen, Unbeschwertheit und diese ganzen Dinge seht. Schlesinger hat einfach versucht, mit diesem lebensbejahenden Element zu arbeiten. Er gehört zu der jungen Generation von “Bastel”-Künstlern, die sich mit technischen Sachen auseinandersetzen und so lange mit ihnen experimentieren, bis sie irgendeinen Effekt, einen Ausdruck oder etwas Besonderes schaffen und das dann künstlerisch umsetzen.
Und in dem Sinne ist diese "Bubble Mashine" menschlich, obwohl er diesen Kontrast zur Maschine natürlich absichtlich benennt.
DOMRADIO.DE: Für Sie ist diese Installation ja auch ein technisches Kunststück, oder?
Kullen: Das Interessante bei diesen neuen technischen Kunstwerken ist, dass ein Künstler nicht etwas malt, eine Skulptur baut und gestaltet und dann einfach hinstellt und dann ist es fertig, sondern dass ein Künstler eher so was wie eine Regel aufstellt und nach dieser Regel dann etwas abläuft, was dann das Kunstwerk produziert, und dabei aber immer etwas anderes oder eben auch Ungewohntes passiert. Manchmal verpasst die Seifenblase den Effekt oder geht zwischendurch kaputt.
DOMRADIO.DE: Das heißt, nicht jede Seifenblase “explodiert”?
Kullen: Ja. Da oben ist die Maschine, da wird die Seifenblase mit normalem Haushaltsgas gefüllt, und sie wird schwerer als die Luft. Die Seifenblase schwebt dann streng nach unten. Und in unserer Kunstaktion, die ja eine gotische Kirche mit hohen Decken ist, fliegt sie sehr, sehr lange, sieben bis acht Sekunden lang, herunter und trifft dort unten ein Gitter, das unter Strom steht. Dort explodiert sie.
Wenn zum Beispiel viele Menschen im Raum sind, ist die Thermik anders, und dann verfehlt die Seifenblase möglicherweise das Gitter. Oder manchmal ist sie auch zu instabil und platzt unterwegs, was aber selten passiert.
DOMRADIO.DE: Warum passt diese Installation gut in den Kirchen- und Kulturraum von Sankt Peter?
Kullen: Es steht im Zusammenhang mit dem Festjahr “1700 Jahre jüdisches Leben in Köln”. Wir haben in Sankt Peter Gemälde aus den 1930er Jahren, die zumindest antijudaistisch sind. Das war für uns ein Anlass, etwas zu machen.
Die “Bubble Mashine” birgt diesen großen Kontrast zwischen unbeschwert, fröhlich, total zauberhaft einerseits, und einer gewissen Brutalität, Härte, Überraschung, Explosion, Vernichtung andererseits. Wir hatten das Gefühl, das ist so ein Punkt, der das Zusammenleben zwischen Christentum und Judentum begleitet. Also immer wieder Höhenflüge der Kultur auf der einen Seite und die sehr radikale Vernichtung oder Vertreibung oder Holocaust auf der anderen Seite. Also wie fragil das Zusammenleben ist.
Es ist uns aber wichtig, keine didaktische oder erklärende Kunst auszustellen. Das möchte auch Schlesinger auf keinen Fall. Es ist ein Kunstwerk, das für diesen Aspekt des kulturellen, religiösen und spirituellen Zusammenlebens ein Gespür vermittelt, auch ohne dass man weiß, dass der Künstler aus Israel kommt.
DOMRADIO.DE: Wie sind denn die Reaktionen der Menschen?
Kullen: Na ja, das erste Mal erschrickt man ziemlich, weil das eine enorme Explosion ist. Von Explosionen oder auch von brutalen Dingen mit ihrer eigenen Ästhetik geht immer eine Faszination aus. Dem kann man sich auch nicht so einfach entziehen. Und wenn man es jetzt sehr sensibel nimmt: die Seifenblase fliegt nach unten, die Explosion wandert wie eine Gegenreaktion wieder nach oben und wölbt sich sozusagen nach oben auf, wie so ein Feuerball oder Feuerpilz.
Das ist besonders in unserer Kunstation sehr beeindruckend und wirkungsvoll, die ja sehr ruhig, sehr leer ist. In diesem Kirchenraum kann dieses Kunstwerk sehr ausdrucksstark wirken.
Das Interview führte Michelle Olion.