Die "Causa Moore" hat ein Erdbeben auslöst. Sein Epi-Zentrum liegt in Alabama, aber die Auswirkungen sind überall in den USA zu spüren.
In dem US-Bundesstaat mit dem höchsten Evangelikalen-Anteil in der Bevölkerung galt ein haushoher Sieg Moores bei der Senatswahl eigentlich als sicher. Die Vorwürfe, er habe minderjährige Mädchen sexuell belästigt, machten die Träume des Fundamentalisten jedoch zunichte - und stürzte die Evangelikalen eine Glaubwürdigkeitskrise.
Die Evangelikalen - engstirnig und weiß?
Der Begriff Evangelikale "fühlt sich nicht für immer verdorben an", meint die texanische Schriftstellerin Jen Hatmaker, die eine große Leserschaft im rechten religiösen Milieu der USA bedient. "Wir müssen uns davon distanzieren, um ein reines Gewissen zu bewahren."
Etwas milder, aber nicht minder deutlich formuliert es Jerushah Armfield, eine Enkelin des vielleicht berühmtesten Volkspredigers, Billy Graham. Der Begriff Evangelikale stehe für eine Vormachtstellung von Weißen und für Engstirnigkeit, so die Pfarrerin aus South Carolina. Wie sehr die Protestbewegung im evangelikalen Lager Boden gewinnt, zeigt eine Namensänderung an der Princeton University. Eine religiöse Studentenorganisation änderte den jahrhundertealten Namen «Princeton Evangelical Fellowship» in «Princeton Christian Fellowship».
Verbrüderung von Evangelikalen und Republikanern
Ganz düster sieht der Chefredakteur von "Christianity Today", Mark Galli, die Zukunft der konservativen Protestanten. "Niemand wird uns mehr glauben, was wir sagen, vielleicht für eine ganze Generation", so Galli. Ein erstaunlicher Befund nach einem Jahr, der die Evangelikalen so nah wie noch nie ans Zentrum der Macht gebracht hat: mit einem Präsidenten, der nicht sonderlich religiös ist, schon gar nicht bibelfest, aber sehr zugänglich für die Anliegen der christlich-fundamentalen Rechten.
Die Verbrüderung von weißen Evangelikalen und der Republikanischen Partei begann in den 1980er Jahren unter einem anderen wenig frommen Amtsinhaber. Präsident Ronald Reagan (1981-1989) war geschieden und ging so gut wie nie zur Kirche, erkannte aber das politische Potenzial der Fundamentalisten. Die Evangelikalen schauten über Reagans fehlenden Stallgeruch hinweg, weil er von der Abtreibung über das Schulgebet bis zur Religionsfreiheit ihre Anliegen zu seinen Themen machte. Mit George W. Bush (2001-2009) zog später jemand ins Oval Office, der sich als einer der ihren verstand. Obwohl er die öffentliche Religiosität teilte, lieferte er an der politischen Front aus Sicht rechter Christen aber enttäuschend wenig.
"Trump Evangelicals"
Auf Empfehlung ihrer Vordenker sahen 81 Prozent der weißen Evangelikalen über Trumps fragwürdigen Lebenswandel hinweg und gaben ihm bei der vergangenen Wahl ihre Stimme. Diese Symbiose ging so weit, dass die Medien für diese Anhänger des Präsidenten einen eigenen Begriff prägten: die "Trump Evangelicals".
Die Vorwürfe gegen Moore, der Gottes Gesetz über die Verfassung stellen will, haben nun die Widersprüche zwischen Reden und Taten im evangelikalen Lager erneut und unerwartet in den Fokus gerückt. Sie bringen nun das Bündnis der "Trump Evangelicals" mit den Republikanern ins Wanken: Vor allem evangelikale Frauen wenden sich von der Trump-Gefolgschaft ab. "Die Lust auf Macht ist widerlich", mit diesen Worten kritisiert zum Beispiel die prominente evangelikale Autorin Beth Moore die Nähe zu Trump. Und weiter: "Der Rassismus ist entsetzlich, die Arroganz erschreckend."
Die Evangelikalen wenden sich ab
Auch schwarze Evangelikale fühlen sich zunehmend angegriffen von den rassistischen Untertönen der weißen, frömmelnden Männer. Erst vor kurzem verkündete der Gospel-Rapper Lecrae in einem Interview seine "Scheidung" von den Evangelikalen.
Mit der Unterstützung für Moore könnte Trump sich also verkalkuliert haben. Die Zustimmung für den Präsidenten im Lager der religiösen Rechten fällt. Waren es im Februar laut Umfragen noch 78 Prozent, die ihm huldigten, sind es inzwischen noch 61 Prozent.