Nach Ansicht von Bundeskanzler Olaf Scholz hängt die Zukunft der Demokratie in Deutschland von der Entwicklung der Demokratien weltweit ab. Nur gemeinsam könnten wesentliche globale Herausforderungen wie die Klimakrise oder die Pandemie bekämpft werden, sagte er am Freitagabend im oberbayerischen Tutzing. Dort sprach er als Gast des Politischen Clubs in der Evangelischen Akademie.
Es reiche nicht aus, wenn sich der "klassische Westen" auf die Demokratie besinne, mahnte Scholz. Er bringe schon heute nicht mehr "genug Gewicht auf die Waage"; das gelte auch für die G7-Staaten. Sie repräsentierten zwar 45 Prozent der globalen Wirtschaftskraft, aber nur noch 10 Prozent der Weltbevölkerung.
Bürger bekommen Angst
"Man muss sich klarmachen, dass sich etwas verändert", fügte der Kanzler hinzu: "Eine Beschränkung der Weltsicht auf uns selbst war schon immer falsch, und jetzt wird sie schwierig." Manchen Bürgerinnen und Bürgern mache dieser Prozess Angst. Sie fühlten sich bedroht und hätten das Gefühl die Kontrolle zu verlieren. Populismus sei deshalb auch vor dem Hintergrund globaler Verschiebungen zu erklären.
"Der Aufstieg der Länder des globalen Südens bedeutet keine Bedrohung", betonte Scholz weiter. Demnach sei eine Welt, in der Länder mit unterschiedlichen Machtverhältnissen verlässlich miteinander kooperierten und gemeinsam Herausforderung bewältigten, nicht abwegig. Der Grund dafür liege in der der Demokratie: "Das ist die Gemeinsamkeit, die uns mit nicht wenigen Ländern des globalen Südens verbindet." Demnach sei die putinsche Propaganda "global west and the rest" falsch.
Demokratien müssen zusammenarbeiten
Nach Ansicht des Bundeskanzlers gibt es auch außerhalb des sogenannten Westens viele Demokratien. Deutschland müsse versuchen, ihre Perspektive einzunehmen, um dann mit neuen Partnern zusammenzuarbeiten. Das Bedürfnis, in einer Demokratie leben zu wollen, sei ein Bedürfnis aller Menschen und nicht nur des Westens: "Ich bin zutiefst überzeugt, der Demokratie und den Demokratien dieser Welt gehört die Zukunft."
Der Politische Club der Evangelischen Akademie Tutzing ist ein Tagungsformat, das seit 1954 besteht. Drei Mal im Jahr treffen Politiker und Experten aus Wissenschaft und Forschung auf interessierte Bürger, um etwa über den Wandel der Demokratie zu diskutieren. Seit 2016 ist der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, Leiter des Formats.