Das nordrhein-westfälische Schulministerium setzt bei dem Besuch von KZ-Gedenkstätten auf Freiwilligkeit. Eine Besuchspflicht werde kritisch bewertet, sagte ein Sprecher des Ministeriums dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf. Das sei ein Eingriff in die Eigenverantwortlichkeit der Schulen. Der gewünschte Lerneffekt könne auch durch Gespräche mit Zeitzeugen, den Besuch anderer Erinnerungsorte oder Museen erzielt werden.
Freiwilligkeit im Vordergrund
"Freiwilligkeit ist nachhaltiger als die Einführung neuer Pflichten", hieß es aus dem Ministerium von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). In der Debatte um verpflichtende Besuche von KZ-Gedenkstätten begrüßt das Düsseldorfer Schulministerium Besuche von Schülergruppen und unterstützt diese nach eigenen Angaben mit 300.000 Euro. Eine feste Verankerung in den Lehrplänen gibt es an nordrhein-westfälischen Schulen allerdings nicht. Die Nutzung außerschulischer Lernorte liege in der Verantwortung der Lehrkräfte und sei damit freiwillig, hieß es. Wichtig sei vor allem die Vor- und Nachbereitung im Unterricht.
Gedenkstättenbesuche finden in NRW üblicherweise in der Jahrgangsstufe statt, in der im Geschichtsunterricht die Themen Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg behandelt werden. Dies sei in der Regel ab Jahrgangsstufe neun, hieß es. Hinzu kämen häufig auch Kursfahrten in der gymnasialen Oberstufe.
Das nordrhein-westfälische Schulministerium verwies auf rege außerschulische Aktivitäten und begleitete Partnerschaften mit Museen, Archiven, Gedenkstätten und anderen Erinnerungsorten. Solche verlässlichen Kooperationen hätten sich in der Praxis als Ergänzung und zur Vertiefung des Fachunterrichts bewährt und würden stetig ausgebaut.
Besser als Schulliteratur
In Baden-Württemberg hält man es für angebracht, über Pflichtbesuche nachzudenken, sagte die Stuttgarter Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) dem epd. Ihre SPD-Kollegin in Mainz, Stefanie Hubig, äußerte sich ähnlich. Der Besuch einer NS-Gedenkstätte könne Unrecht und Willkür der nationalsozialistischen Diktatur besser vermitteln als jede Schullektüre.
Die Debatte war durch die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) ausgelöst worden. Sie hatte sich kürzlich angesichts aktueller antisemitischer Vorfälle in Deutschland für Pflichtbesuche in Konzentrationslagern ausgesprochen und gesagt, das müsse auch für Zuwanderer gelten. Begrüßt wurde der Vorschlag unter anderem vom Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster.
Freiwilligkeit im Vordergrund
Die meisten Länder neben Nordrhein-Westfalen wollen indes an der Freiwilligkeit solcher Exkursionen festhalten. Dazu zählen neben auch Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Hessen.
Der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, der thüringische Bildungsminister, Helmut Holter (Linke), sagte dem epd, auch er halte Pflichtbesuche für den falschen Weg. Das Lernen an authentischen Orten sei aber "richtig und wichtig". Thüringen habe das Antragsverfahren vereinfacht. Seitdem steige die Zahl der Fahrten zu Gedenkstätten.
In Bayern ist eine Exkursion zu einem Gedenkort für Opfer des Nationalsozialismus in den Lehrplänen der Gymnasien und Realschulen verankert, in Sachsen ebenfalls. Pflichtbesuche plane man aber nicht, teilte das Kultusministerium in Dresden mit. In Berlin muss jeder Abiturjahrgang eine NS-Gedenkstätte besuchen, für die Sekundarstufe I wird eine Exkursion empfohlen. In Brandenburg sollen die 7. bis 10. Klassen zwei Gedenkorte besuchen.