Krankenhausreform, Ausbau von Hospizen und Palliativmedizin sowie ein Verbot aller organisierten Formen der Suizidbeihilfe: Nach dem Bundestag hat der Bundesrat am Freitag grünes Licht für drei Gesetze gegeben, die die Weichen für eine alternde und stärker pflegebedürftige Gesellschaft stellen. Kurz nach der Hälfte der Legislaturperiode hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wichtige Aufgaben seines Ressorts abgearbeitet - zumal der Bundestag auch die Reform der Pflegeversicherung gebilligt hat.
Die Politik reagiert mit den Gesetzen auf Prognosen, nach denen die Zahl der Hochbetagten, chronisch Kranken und Dementen stark steigen wird, sowie auf eine europaweite Debatte über Sterbehilfe. Die Reformen kosten mehrere Milliarden Euro, aber es geht auch um Werte und den gesellschaftlichen Umgang mit Alter, Leid, Krankheit und Sterben.
Krankenhausreform tritt zum 1. Januar in Kraft
Nach dem Ja der Länderkammer kann die Krankenhausreform zum 1. Januar in Kraft treten. Durch das Gesetz sollen die Qualität von Pflege und Behandlung in den 2.000 Kliniken verbessert und Überkapazitäten an Kliniken abgebaut werden. Das "Krankenhausstrukturgesetz" sieht mehr Pflegepersonal vor und will eine "qualitätsorientierte Vergütung" einführen. Dafür will der Bund bis 2020 bis zu zehn Milliarden Euro bereitstellen.
Im Detail geht es um mehr Geld für "Pflege am Bett", mehr Zweitmeinungen vor Operationen und verständlichere Qualitätsberichte für Patienten. Die Qualität soll auch Kriterium für mögliche Schließungen sein. Kliniken erhalten einen zusätzlichen Pflegezuschlag von jährlich 500 Millionen Euro. Ein Pflegestellenförderprogramm soll mit 660 Millionen Euro 6.000 Pflegestellen schaffen. Ferner verlängert der Bund das Hygieneförderprogramm um drei Jahre und weitet es aus.
Sterbebegleitung wird Auftrag der Pflegeversicherung
Mit dem von der Länderkammer ebenfalls verabschiedeten Gesetz zur Verbesserung von Palliativmedizin und Hospizversorgung wird die Palliativversorgung Teil der Regelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Sterbebegleitung wird ausdrücklicher Auftrag der Pflegeversicherung. "Schwerkranken Menschen Hilfe im Sterben zu bieten, ist ein Gebot der Menschlichkeit", hatte Gröhe im Vorfeld geworben. Die Bundestagsparteien waren sich darin einig, dass das Gesetz ein wichtiger Beitrag zur Suizidprävention und gegen den Ruf nach aktiver Sterbehilfe sei. Das Gesetz folgt der Logik: Wer gegen aktive Sterbehilfe und Suizidbeihilfe ist, muss Leid und Ängste am Lebensende lindern. Sterbende Menschen sollen deshalb bestmögliche Lebensqualität erhalten und keine Angst vor Schmerzen haben müssen.
Konkret werden etwa die stationären Kinder- und Erwachsenen-Hospize und ambulante Hospizdienste stärker gefördert. Ambulant tätige Palliativmediziner erhalten mehr Honorar; Alten- und Pflegeheime sollen sicherstellen, dass ihre Bewohner Palliativmedizin in Anspruch nehmen können. Beseitigt werden sollen auch Versorgungslücken insbesondere im ländlichen Raum. Bislang gibt Deutschland pro Jahr rund 400 Millionen Euro für diesen Bereich aus. In der Koalition wird mit rund 200 Millionen Euro Mehrkosten gerechnet.
Verbot der organisierten Suizidbeihilfe
Nach jahrelanger Debatte kann auch das Verbot der organisierten Suizidbeihilfe in Kraft treten. Grundsätzlich bleibt Beihilfe zum Suizid straffrei und legal. Auch Angehörige oder andere dem Suizidwilligen nahestehende Personen, die sich nicht geschäftsmäßig an der Tat beteiligen, sind von der Strafandrohung ausgenommen.
Geahndet wird demgegenüber jede Form der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung. Durch die Aktivitäten der Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas und den Sterbehilfeverein des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch war das Problem der organisierten oder sogar auf Gewinn ausgerichteten gewerblichen Beihilfe zur Selbsttötung auf die Tagesordnung der Politik gekommen.
Gespannt sein darf man, ob das Gesetz in Karlsruhe landen wird. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hatte im Vorfeld Bedenken wegen Verfassungsmäßigkeit formuliert. Die Unterscheidung zwischen erlaubten Einzelfällen und organisierter Tat sei schwer zu ziehen. Auch Sterbehelfer Kusch hatte eine Klage angekündigt.