Bundestag fordert Druck im Streit um Kloster Mor Gabriel

"Türkei soll Religionsfreiheit endlich ernst nehmen"

Die Justiz der Türkei droht dem syrisch-orthodoxen Kloster Mor Gabriel an der syrischen Grenze die wirtschaftliche Existenzgrundlage zu entziehen. Es geht um Land und Besitzrechte, eigentlich aber um Religionsfreiheit und die Frage, welchen Stellenwert europäische Werte für den EU-Beitrittskandidaten tatsächlich haben. In Deutschland regt sich der Widerstand.

Autor/in:
Christoph Schmidt
Mor Gabriel gilt als eines der ältesten christlichen Klöster der Welt  (DR)
Mor Gabriel gilt als eines der ältesten christlichen Klöster der Welt / ( DR )

Das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel im Südosten der Türkei hat schon viele Herrscher und Rechtsordnungen erlebt, denn es besteht seit über 1.600 Jahren. Byzantinische Kaiser, seldschukische Emire, mongolische Khane, osmanische Sultane und kemalistische Revolutionäre kamen und gingen. Plünderungen und Massaker konnten der Bewahrung einer uralten Glaubenstradition letztlich nichts anhaben. Nun ist es die moderne Türkei die die Existenz des Klosters akut gefährdet.



So auch aus Sicht der Fraktionen von Union und FDP, die am Donnerstag einen Antrag zur Rettung Mor Gabriels in den Bundestag einbrachten. Er fordert von der Bundesregierung, auf europäischer Ebene gegenüber Ankara den Schutz des Klosters und aller religiösen Minderheiten noch stärker einzufordern. So solle sie bei der EU-Kommission darauf drängen, die Defizite bei der Religionsfreiheit weiter ausführlich in den Fortschrittsberichten über die Türkei zu behandeln.



Zum Staatseigentum erklärt

Zur Vorgeschichte: Im Juli 2011 hatte das türkische Kassationsgericht 336.000 Quadratmeter der bisher vom Kloster genutzten Ländereien als Wald eingestuft und damit zu Staatseigentum erklärt. Ein weiteres Verfahren um Klosterparzellen, die als nicht ackerfähiges Land ebenfalls in Staatsbesitz übergehen sollen, ist noch in der Schwebe. Außerdem droht dem Vorsitzenden der syrisch-orthodoxen Gemeindestiftung eine Verurteilung wegen des Baus einer Mauer, die das Land vor Übergriffen und Abweidung schützen soll. Dagegen haben umliegende Dörfer geklagt, angespornt von lokalen Politikern der Regierungspartei AKP. Das Kloster beruft sich dagegen auf Eigentumsnachweise aus den 1930er Jahren.



Für den konservativ-islamischen Regierungschef Reccep Tayyip Erdogan, der sein Land trotz nachlassender Begeisterung in die EU führen will, birgt der Streit erhebliche Risiken. Denn Mor Gabriel ist längst zum Symbol für den Zustand der Religionsfreiheit in der Türkei und damit für deren Beitrittsfähigkeit geworden. Bisher verfolgte die Regierung gegenüber den gerade noch 100.000 türkischen Christen eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche: Einerseits ließ sie mehr Gottesdienste zu und ermöglichte die Rückgabe von enteignetem Kirchenbesitz, andererseits leiden Christen weiter unter staatlicher Diskriminierung wie einer restriktiven Justiz. Die EU-Kommission listet hierzu seit Jahren Defizite auf. Hinzu kommt eine starke Feindseligkeit gegenüber Christen in Teilen der türkischen Gesellschaft.



Rücksicht auf ultranationalistische Strömungen

Auch auf diese Strömungen und ihre ultranationalistische Vertreter vor und hinter der politischen Kulisse muss Erdogan Rücksicht nehmen. So pochte er im Fall Mor Gabriel - neben lauen Sympathiebekundungen - stets auf die Unabhängigkeit der türkischen Justiz. In Wahrheit könne der Staat das Verfahren aber sehr wohl beeinflussen, ohne gegen die Verfassung zu verstoßen, meinen die Antragsteller im Bundestag. Bisher bot Ankara dem Kloster lediglich an, das strittige Land kostenlos auf längere Zeit zu pachten, was die Gemeinschaft mit Verweis auf jahrhundertelange Besitzrechte ablehnt.



Eine Ironie des Ganzen: Mit der umstrittenen Landvermessung folgte die Türkei einer EU-Vorgabe zur Erstellung von Grundbüchern. Rund 300 weitere Streitfälle um Grundeigentum von Christen in der Region sind daraus erwachsen. Die Antragsteller im Bundestag wie auch die katholische und evangelische Kirche befürchten, dass per Enteignung die letzten Reste kleinasiatischen Christentums ausgelöscht werden sollen. Stattdessen müsse Ankara den uralten Gemeinschaften endlich Rechtspersönlichkeit zugestehen. Der Fall Mor Gabriel liegt derweil beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.



Schon heute leben nur noch 14 Nonnen und zehn Mönche dort. 1.000 Menschen waren es zu Blütezeiten des 397 gegründeten Klosters. Ein langer Weg könnte demnächst zu Ende gehen.