Bundestagsdebatte über Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche

Keine Einigkeit bei Paragraph 219a

Am Donnerstag stand Paragraph 219a des Strafgesetzbuches, der das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche regelt, im Bundestag zur Debatte. Die Koalition ist sich in diesem Thema uneins. Kann überhaupt ein Konsens gefunden werden?

Gesetzestext des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch / © Harald Oppitz (KNA)
Gesetzestext des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wir finden im Internet Informationen zu den schlimmsten Sachen. Wir finden Anleitungen, wie man Waffen und Bomben bauen kann und noch viel ekelhaftere Dinge. Warum muss in heutigen Zeiten das Gesetz regeln, dass es im Internet keine Informationen über Abtreibungen geben darf?

Christian Hirte (CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des katholischen Kardinal-Höffner-Kreises in der Unions-Bundestagsfraktion): Das regelt das Gesetz nicht, Paragraf 219 verbietet die Werbung in grob anstößiger Weise oder durch die Verbreitung von Informationen zur Erlangung eines eigenen Vermögensvorteiles. Allgemeine Informationen zum Schwangerschaftsabbruch können Sie auch schon heute finden.

DOMRADIO.DE: Ich greife das große Gegenargument von der Seite auf, die den Paragraphen komplett abschaffen möchte. Wenn man nicht ordentlich über die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs informieren kann oder die Informationen nicht im Internet verbreitet findet, wie es jetzt bei dem Gerichtsurteil mit der Ärztin aus Gießen war, dann greifen die schwangeren Frauen in Krisensituationen noch zu viel drastischeren Mitteln, gefährden nicht nur das mögliche Kind, sondern bringen auch sich selbst in Gefahr. Ist das keine legitime Argumentation?

Hirte: Das ist keine legitime Argumentation aus meiner Sicht, weil - wie gesagt - auch die Information heute schon nicht rechtswidrig und strafbar ist, sondern immer nur dann - das sagt das Gesetz ganz klar - wenn diese in grob anstößiger Weise erfolgt oder eben in der Intention, einen eigenen Vermögenvorteil zu leisten. In der Gesamtgemengelage der Paragraphen 218 ff. im Strafgesetzbuch geht es darum, ein fein austariertes System zu schaffen, das unter anderem auch die Schwangerschaftskonfliktberatung vorsieht. Der Gesetzgeber hat in den neunziger Jahren nach schwierigen Diskussionen gerade das Informationsangebot als ganz wesentlichen Teil mit in den Blick genommen.

DOMRADIO.DE: Wenn es aber so unproblematisch ist an die Informationen heranzukommen, warum gibt es dann so viel Protest dagegen?

Hirte: Ich glaube denjenigen, die da sehr aktiv gegen arbeiten, geht es nicht nur um das Werbeverbot, also um diesen Paragraphen 219a, sondern um die Gesamtgemengelage, um das Ankreisen des gesamten Schwangerschaftskonflikts-Kompromisses, der in den 1990er Jahren gefunden wurde. Wer den in den Grundzügen erhalten will, muss aus meiner Sicht auch den Paragraphen 219a erhalten, weil es zur Aufgabe des Gesetzes gehört, den Artikel 1 ernst zu nehmen, der sagt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Sie zu achten und zu schützen, ist eben auch die Aufgabe jeder staatlichen Gewalt. Dazu gehört auch, dass der Gesetzgeber und der ungeborene Mensch sich ja nicht selber verteidigen und schützen können. Deswegen muss der Staat alle Maßnahmen ergreifen, um auch eine lebensbejahende und lebensunterstützende Rahmengesetzgebung auf den Weg zu bringen.

DOMRADIO.DE: Nun steht an diesem Donnerstag im Bundestag die zweite und dritte Lesung zu diesem Thema. Die Regierung ist sich da nicht ganz einig. Sie als Union sagen: Wir müssen den Paragraphen so beibehalten. Die SPD sagt: Wir müssen das Ganze reformieren. Gibt es eine Möglichkeit, zu einem Kompromiss zu kommen? Man kann ja nicht einfach sagen, wir informieren nur ein bisschen über Schwangerschaftsabbrüche.  

Hirte: Über das Thema Information könnte man aus Sicht der Union sicherlich noch mal etwas intensiver diskutieren. Es gibt - wie gesagt - schon heute eine ganze Reihe von Maßnahmen. Man könnte aber darüber sprechen, ob man proaktiv etwa bei den Beratungsstellen besser informiert, insbesondere über diejenigen Ärzte, die solche Abbrüche vornehmen. Aber im Grunde ist die Konfliktsituation relativ klar. Die Union will, dass der Lebensschutz so weit wie möglich gewährleistet wird. Das erfordert eben auch, dass man Werbungen für den Abbruch von Leben nicht zulassen kann.

DOMRADIO.DE: Was denken Sie, wie wird es ausgehen?

Hirte: Ich bin da ehrlich gesagt überfragt und kann das noch nicht richtig abschätzen. Ich finde es schon problematisch, dass wir überhaupt abstimmen, weil wir uns in der Koalition natürlich darauf verständigt haben, Verfahren nur gemeinsam auf den Weg zu bringen. Deswegen kann ich das noch nicht beantworten.

DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie können auch nicht sagen, was Sie als Union machen würden, wenn der Paragraf reformiert oder abgeschafft werden sollte?

Hirte: Wir hatten schon einmal eine ähnliche Situation am Ende der letzten Legislaturperiode. Da hatten wir eine Abstimmung zum Thema "Ehe für alle", die dann dazu führte, dass auch homosexuelle Partnerschaften als Ehe angesehen wurden. Auch dort war es so, dass die SPD in aller Deutlichkeit einen Koalitionsbruch begangen hat; nicht in dem die einzelnen Abgeordneten für dieses Gesetz "Ehe für alle" gestimmt hatten, das obliegt jedem einzelnen selbst, aber dadurch dass die Fraktion der SPD das überhaupt mit zur Abstimmung gebracht hatte.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch. 


Christian Hirte, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Kardinal-Höffner-Kreises  in der Unions-Bundestagsfraktion / © Wolfgang Kumm (dpa)
Christian Hirte, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Kardinal-Höffner-Kreises in der Unions-Bundestagsfraktion / © Wolfgang Kumm ( dpa )
Quelle:
DR