Bundesumweltministerin zur Umweltenzyklika

"Den ökologischen Grenzen unseres Planeten anpassen"

Die Rechnung für den Klimawandel bekommen zuerst die Armen zugestellt - das sehe sie genauso wie der Papst, sagt Bundesumweltministerin Hendricks im domradio.de-Interview. Die Industriestaaten müssten bei der CO2-Verringerung vorangehen.

Kohlekraftwerk Mehrum in Niedersachsen am 27.10.14 (dpa)
Kohlekraftwerk Mehrum in Niedersachsen am 27.10.14 / ( dpa )

domradio.de: Wie ordnen Sie den Beitrag von Papst Franziskus für die politische Welt ein?

Barbara Hendricks (Bundesumweltministerin, SPD): Für mich ist das ein Ansporn und ich denke, das gibt allen Rückenwind, die sich für einen engagierten Umwelt- und Klimaschutz einsetzen. Ich hoffe, dass seine Argumente insbesondere die konservativen Kreise überzeugen, die die enorme Brisanz des Klimawandels bislang kleinreden. Ich bin froh darüber, dass Papst Franziskus sich in so einer klaren Sprache geäußert hat. Auch über die Tiefe der Gedanken bin ich froh. Die bieten Anstöße, die weit über die katholische Welt hinaus Wirkung entfalten werden.

domradio.de: Franziskus fordert beispielsweise auch einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern, wie Kohle, Öl und Gas, und eine schnellstmögliche Umstellung auf erneuerbare Energien. Wie schnell ist das weltweit realistisch?

Hendricks: Wir haben uns vorgenommen, das im Laufe dieses Jahrhunderts zu schaffen. Die G7 haben ja in Elmau beschlossen, dass wir in diesem Jahrhundert eine Dekarbonisierung (niedrigerer Umsatz von Kohlenstoff, Anm.d.Red.) brauchen. Ein Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas ist notwendig, damit es uns gelingt, den Klimawandel so zu begrenzen, dass Menschen noch vernünftig auf dieser Erde leben können. Wir brauchen dafür so lange, schneller wird es nicht gehen.

Wir Industrieländer müssen dabei voranschreiten. Wir in Deutschland zum Beispiel sind entschieden, bis zum Jahr 2050 mindestens 80 aber besser 95 Prozent des CO2-Ausstoßes zurückzuführen. Wir Industrieländer haben ja die meiste Verschmutzung verursacht. Wir sind auch diejenigen, die das technologisch und finanziell ändern können. Wir müssen voranschreiten, damit wir bis zum Ende dieses Jahrhunderts alle mitnehmen können.  

domradio.de: Franziskus sieht den Umweltschutz im Zusammenhang mit einer ganzheitlichen Ökologie und prangert immer wieder eine Wegwerfmentalität in unserer Gesellschaft an. Und in dieser Mentalität sollen Schwächste, wie Embryonen und alte und kranke Menschen, kaum eine Chance haben. Wie weit greift das Thema Umwelt aus Ihrer Sicht auf den gesamten ethischen Bereich über?

Hendricks: Der Papst hat das Thema Umwelt noch weiter gefasst, als wir das normalerweise in der politischen Debatte tun. Was ich aber besonders begrüße, ist die Aussage des Papstes, die ökologische und die soziale Frage gehörten zusammen. Er sagt, die Klage der Armen müssten wir ebenso hören wie die Klage der Erde. Das ist in der Tat richtig. Die Rechnung für Umweltzerstörung und Klimawandel bekommen zuallererst die Armen zugestellt. Das gilt global, aber auch in unserem eigenen Land. Die wohlhabenden Menschen und die wohlhabenden Länder belasten die Umwelt deutlich stärker, als die armen. Deshalb haben wir eine besondere Verantwortung voranzugehen und unser Leben den ökologischen Grenzen unseres Planeten anzupassen. 

domradio.de: Die Enzyklika "Laudato si" ist ein Beitrag zur im Herbst stattfindenden UN-Klimakonferenz in Paris. Glauben Sie, dass die Enzyklika dort Gehör finden wird?  

Hendricks: Ja. Ich bin sicher, dass die Enzyklika über die katholische Welt hinaus Gehör findet. Es ist aber auch wichtig, dass sie in der ganzen katholischen Welt Gehör findet. Wir haben zum Beispiel unter den Katholiken in den Vereinigten Staaten konservative Kräfte. Da sind einige der Auffassung, der Klimawandel sei gottgewollt und da müsse man als Mensch nicht gegen angehen. Da bin ich sehr froh, dass der Papst das ganz anders sieht und hoffentlich auch in diese Kreise positiv wirkt. 

domradio.de: Wir gehen Sie persönlich als Katholikin in der Politik mit kirchlichen Verlautbarungen um?

Hendricks: In diesem Fall ist es für mich völlig problemfrei, genau das, was der Papst sagt, auch in meine alltägliche politische Arbeit einzubinden. Da haben wir dieselbe Zielrichtung, das ist völlig eindeutig. Es ist nicht immer so, dass man kirchliche Lehrmeinungen in politisches Handeln unmittelbar umsetzen kann. Hier ist es aber wirklich so und dafür bin ich dankbar.

 

Die Fragen stellte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR