Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Herr Keggenhoff, was fasziniert am Instrument Orgel?
Christoph Keggenhoff (Vorsitzender der Vereinigung der Orgelsachverständigen Deutschlands): Mehr als alle anderen Musikinstrumente ist die Orgel ein Gesamtkunstwerk. Seit sie vor mehr als 2.000 Jahren im damals hellenistischen Alexandria erfunden wurde, gab es immense Entwicklungen: klanglich, technisch und gestalterisch.
Speziell sind natürlich die Größe des Instruments und das damit verbundene Klangerlebnis. Das reicht beim tiefsten Ton von 16 Hertz nach oben bis an die Hörgrenze. Und schon bei einer mittelgroßen Orgel bräuchte ein Mensch Jahrzehnte, um alle Klangfarbkombinationen einmal zu spielen. Das Instrument ist fast grenzenlos. Salopp gesagt: Von der Hochzeit bis zur Beerdigung lässt sich alles passend begleiten.
KNA: Warum organisiert die Vereinigung der Orgelsachverständigen seit einiger Zeit den jährlichen Orgeltag?
Keggenhoff: Wir als Zusammenschluss von rund 400 staatlichen und kirchlichen Experten möchten Begeisterung wecken und die Orgel wieder stärker in der Mitte der Gesellschaft und der Musikwelt verankern. Denn abgesehen von Orgelfans haben zum Beispiel das Klavier oder die Geige ein viel größeres Klientel. Manchen schreckt auch die Verbindung zu Liturgie und Gottesdienst ab.
KNA: Was ist diesmal geplant?
Keggenhoff: Ein breites Angebot: Als Basis natürlich Orgelkonzerte, aber auch die Kombination mit anderen Instrumenten, etwa mit Bläsern oder einer Gitarre. Und natürlich Orgel plus Chor. Ganz wichtig ist, dass wir viele Angebote haben, die sich an Familien wenden: zum Beispiel Orgelführungen. Etabliert haben sich inzwischen Orgelspaziergänge, bei denen verschiedene Kirchen in unmittelbarer Nähe besucht werden können, oder "Orgel and bike". Zudem öffnen Orgelbauer ihre Werkstätten. Ganz außergewöhnlich: Ein "Orgeltag ohne Orgel" - gezeigt werden dort Planungen für einen Orgelneubau.
KNA: Warum machen Sie die Veranstaltung parallel zum "Tag des offenen Denkmals" - gehen Sie im Rahmen dieser Großveranstaltung nicht unter?
Keggenhoff: Der Gedanke war: An dem Tag sind eh viele auf den Beinen. Und der Erfolg bestätigt uns: Erstmals können wir in diesem Jahr bundesweit mehr als 100 Veranstaltungen anbieten. Viel Rückenwindung verspüren wir auch dadurch, dass im Dezember Orgelbau und Orgelmusik als Immaterielles Kulturerbe der Unesco anerkannt wurden.
KNA: Welche wirtschaftliche Bedeutung hat das Instrument?
Keggenhoff: Deutschland ist international betrachtet ein Orgel-Schwerpunktland. Etwa 400 Firmen mit fast 3.000 Mitarbeitern existieren. Das reicht vom Ein-Mann-Betrieb bis zu einem Bonner Unternehmen mit mehr als 60 Angestellten. Nicht alle bauen neue Instrumente, viele kümmern sich nur um Wartung und Reparaturen der teils denkmalgeschützten Orgeln. Insgesamt haben wir in der Bundesrepublik rund 50.000 davon, die allermeisten in Kirchen. Andere stehen in Konzertsälen. Es gibt auch eine große Anzahl von Hausorgeln: als Arbeitsmittel bei Organisten und beim Orgelliebhaber, der es sich leisten kann.
KNA: Spielt die Digitalisierung bei neuen Instrumenten eine Rolle?
Keggenhoff: Der Orgelbau hat sich mit den Jahrhunderten entwickelt und ist der Komposition und den musikalischen Anforderungen gefolgt. Der Mechanik folgten Pneumatik und Elektrik, und heute spielt auch das Digitale eine Rolle, allerdings nicht zur Tonerzeugung. Häufig zeigt sich eine schon vor 500 Jahren ausgereifte Technik als Ideallösung, oft kombiniert mit neuen Erfindungen.
KNA: Was kostet eine Orgel?
Keggenhoff: Pro Register und Klangfarbe haben wir heute Preise von um die 20.000 Euro. Bei 50 Registern liegen sie dann bei einer Million. Das liegt ganz sicher nicht daran, dass die Orgelbauer mit dick gefüllten Taschen nach Hause kommen. Im Gegenteil. Obwohl es sich um Spezialisten handelt, ist die Bezahlung nicht immer angemessen.