Die Unterdrückung von Frauen durch die Taliban wird nach Beobachtung von Caritas international immer drastischer - vor allem wegen eines neuen "Tugendgesetzes".
"Wir dachten schon vorher, schlimmer kann es bei den Einschränkungen für Frauen nicht werden - aber es wurde schlimmer. Frauen müssen sich jetzt am ganzen Körper verschleiern. Frauen sollen in der Öffentlichkeit nicht mehr laut sprechen - manche Tugendwächter könnten das als vollständiges Sprechverbot auslegen", sagte die Caritas-Afghanistan-Referentin Henrike Bittermann am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Sie leitet derzeit das Caritas-Büro in Kabul.
"Aus der Öffentlichkeit verdrängt"
Das neue Gesetz wurde Ende August veröffentlicht. Bittermann sagte, Afghaninnen würden schikaniert und aus der Öffentlichkeit verdrängt. "Der Alltag von Frauen findet zu 95 bis 99 Prozent nur noch im eigenen Haus statt."
Als Hilfsorganisation sei Caritas international der politischen Neutralität verpflichtet, sagte Bittermann. Der Abbruch aller Kontakte mit den Taliban helfe aber kaum weiter: "Wenn wir wollen, dass sich in einem Land etwas verändern soll, dann werden wir es mit Sicherheit nicht erreichen, indem wir uns von den Machthabern komplett abschotten."
Chancen für unterdrückte Frauen gesucht
Anzeichen, dass sich die Lage der Afghaninnen bald wieder verbessern könnte, sieht die Expertin nicht. "So sehr ich mir für alle Frauen in Afghanistan etwas anderes wünschen würde - ich sehe im Moment keinen einzigen Hoffnungsschimmer."
Caritas führe aber so lange wie möglich die eigenen humanitären, psychosozialen und medizinischen Projekte fort - auch mit afghanischen Mitarbeiterinnen. "Wir wollen die noch verbleibenden Chancen suchen, damit Frauen am Leben teilhaben können."
Auch für das Aufkeimen einer Protestbewegung wie in Iran gebe es keine Hinweise. "Die Taliban sind zu stark. Und es gab hier noch nie eine breite gesellschaftliche Bewegung gegen das Regime."
Afghanistan nicht vergessen
Zugleich ruft Caritas international die Menschen in Deutschland auf, Afghanistan nicht zu vergessen. Es sei wichtig, sich zu informieren, etwa bei Vorträgen durch afghanische Exil-Aktivistinnen. "Sie organisieren auch in Deutschland Gespräche und haben manchmal noch persönliche Kontakte, wie sie Frauen in Afghanistan helfen können".