Caritas-Direktor zum Mangel an Landärzten

"Vielleicht nicht immer so idyllisch wie in Fernsehserien"

Das Problem Ärztemangel bleibt: Nur fünf Prozent der Ärzte können sich laut einer Umfrage vorstellen, eine Praxis auf dem Land zu eröffnen. Dabei habe sich in vielen Regionen schon Vieles verbessert, sagt Frank Hensel, Caritas-Direktor für das Erzbistum Köln – und selber Mediziner. Im Interview mit domradio.de spricht er über Ursachen und Lösungen des Problems .

 (DR)

domradio.de: Was ist das Problem auf dem Land?

Hensel: Es sind zwei Dinge, die ja gar nicht mehr aufgehen: Keiner ist wirklich immer und überall im Dienst. Und möchte von jedem erkannt und gekannt werden. Es gibt ein großes Bedürfnis, dass man auch mal abschalten kann. Und mit Land wird assoziiert, dass man das dort weniger kann. Dann das ganz alleine Arbeiten: Das ist keine aktuelle Idee mehr. Unter jungen Medizinern ist das verbundene Arbeiten, das im Team sein das größere Thema. Und: Für die Familie, mit der man dahin ginge, braucht es ja auch eine Infrastruktur. Die Kinder brauchen Kindergärten, Schulen und gute Jugendangebote. Und all das ist in manchen Regionen natürlich schwächer als in Ballungszentren.



domradio.de: Ist das denn das medizinische Aufgabenfeld ein anderes zu dem in der Stadt?

Hensel: Das ist im Gegensatz zu dem eben Gesagten das Interessante: Die Arbeit in einer Landarztpraxis ist durch die ganze Breite im medizinischen und sozialen Bereich geprägt. Es ist vielleicht nicht immer so idyllisch wie in Fernsehserien.



domradio.de: Immer mehr Ärzte wandern auch ins Ausland ab. Ist Deutschland zunehmend uninteressant für Ärzte? Oder betrifft das nur die ländliche Gegend?

Hensel: Das betrifft nicht nur das Land, das ist eine Frage des Systems, in dem man arbeiten will. In Deutschland hat es sich seit einigen Jahren so entwickelt, dass die, die Leistung erbringen, sich permanent dafür rechtfertigen müssen, dass sie damit nun mal Leistungen lostreten und verursachen. Das ist eine unschöne Grundstimmung. Sie sind von einer Misstrauenskultur geprägt mit sehr vielen Kontrollsystemen. Das Ganze paart sich noch mit an manchen Stellen gar nicht so attraktiven Arbeitsbedingungen: Arbeitszeiten, die zwar schon besser geworden sind, ordentlichen, aber lange noch nicht so guten Löhnen wie in manch anderem Nachbarland. So dass man als junger flexibler Mensch durchaus auf die Idee kommen kann, ob man nicht ganz woanders einsteigt.



domradio.de: Was kann getan werden, um den Ärzteberuf in Deutschland und ganz besonders wieder auf dem Land attraktiver zu machen?

Hensel: Im Grund ist er attraktiv. Das ist ein wunderbares Arbeitsfeld mit einer großen Nähe zu Menschen, einer hohen Komplexität und ganz vielen differenzierten Einsatzmöglichkeiten. Das ist ein hoch attraktiver Beruf, es melden sich ja auch jedes Jahr sehr viele Menschen an - mehr, als wir Plätze anbieten können. Von der ersten Anziehungskraft her ist da also kein großes Problem. Das Problem sind an vielen Stellen die Arbeitsbedingungen. In den Gegenden mit Ärztemangel wird da ohnehin schon Vieles laufend verbessert, in den vergangenen Jahren hat sich da schon Einiges getan. Aber: Wir brauchen noch eine wesentlich verbundenere Leistungserbringung. Vor Ort, auf dem Land, da ist der Bruch zwischen einem Arzt, einer Gemeindeschwester, zwischen klinischer Versorgung und praktischer Versorgung ja noch vollständig, so dass das alles voneinander unabhängige Systeme sind. Und das kann deutlich verbundener gemacht werden. Am Ende muss eine gut verbundene wohnortnahe Grundversorgung dabei herauskommen.

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Das Gespräch führte Stephanie Gebert.