Caritas international wirft nepalesischer Regierung Behinderung vor

Bauverbot mit Folgen

Ein Jahr nach dem schweren Erdbeben fehlt vielen nepalesischen Familien noch immer ein festes Dach über dem Kopf. Laut Caritas international trägt daran Nepals Regierung Schuld. Sie habe den Wiederaufbau behindert.

Oliver Müller (Caritas international) (dpa)
Oliver Müller (Caritas international) / ( dpa )

domradio.de: Sie haben das Erdbebengebiet besucht. Wie leben die Menschen dort heute?  

Oliver Müller (Leiter von Caritas international): Die Verhältnisse sind noch ziemlich schlecht, das hängt damit zusammen, dass es zum einen sehr arme Gegenden sind. Nepal ist ja generell ein sehr armes Land, vor allem in den ländlichen Bereichen. Das heißt den Menschen ging es schon vor dem Erdbeben nicht besonders gut. Sie sind meistens Bauern, die für ihren eigenen Bedarf gewirtschaftet haben und sehr viele Familien wohnen, campieren immer noch neben den Trümmern ihrer Häuser, das heißt, es hat sich leider Gottes zwar einiges verändert, Schulen wurden oftmals wieder aufgebaut, aber in puncto Wohnhäuser da hakt es nach wie vor.

domradio.de: Caritas international zieht eine gemischte Bilanz, wenn es um den Wiederaufbau geht, warum?

Müller: Das hängt vor allem mit der Rolle der nepalesischen Regierung zusammen. Wir als Hilfsorganisation und viele andere waren bereit und sind es auch, den Menschen vor allem beim Wiederaufbau von Wohnhäusern zu helfen. Das ist das wichtigste, was die Menschen jetzt brauchen. Aber der Staat hat verfügt, dass er alles selber in die Hand nehmen will und hat in dem Fall privaten Hilfsorganisationen verboten, Privathäuser wieder aufzubauen. Das hat alles behindert, weil die nepalesische Regierung selber auch nicht in der Lage war, es zu tun. Dieses Verbot wurde inzwischen etwas gelockert, hat aber zu einer Verzögerung der Hilfsmaßnahmen geführt.

domradio.de: Was steckt denn hinter dieser Anordnung der nepalesischen Regierung?

Müller: Das ist schwer nachzuvollziehen, weil weltweit gibt es viel Erfahrung, dass Hilfsorganisationen da eine sehr gute Arbeit machen und sehr dezentral und angepasst aufbauen können. Ich glaube, der Staat wollte hier ein Zeichen setzen für seine eigene Macht und Durchsetzungsfähigkeit, die er ansonsten aber auch nicht an den Tag legt. Vielleicht ging es auch darum, Mittel der Hilfsorganisationen zu bekommen. Wir wurden freundlich aufgefordert, unsere Spendenmittel der nepalesischen Regierung zu übergeben. Das werden wir sicherlich nicht machen, weil wir mit der Caritas Nepal einen sehr vertrauenswürdigen Partner haben. Das heißt, ich bin sehr optimistisch, dass wir den Menschen weiterhin helfen können, was wir durch Lebensmittel und andere Hilfen schon getan haben, aber es hat sich leider sehr verzögert.

domradio.de: Welche Geschichte vor Ort hat Sie am meisten beschäftigt?

Müller: Was mich besonders betroffen hat, und ich war in sehr sehr vielen Erdbebengebieten der Welt, ist, wie unglaublich leidensfähig und geduldig die Menschen in Nepal sind. Sie wissen ja, dass ihnen Hilfe zusteht und sie haben noch nie viel von ihrer Regierung bekommen und jemand sagte zu mir, wer noch nie etwas bekommen hat, der erwartet sich auch wenig. Mit großer Geduld tragen sie das. Ich denke an eine Familie mit sechs Kindern, die nahezu alles verloren hat. Die Lebensmittelhilfe bekam, die auch Medikamente von uns bekam, die jetzt dringend ihr neues Haus braucht. Die Geduld, aber doch auch der Optimismus, den die Menschen haben, das fand ich sehr beeindruckend.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR