Caritas Österreich zur Flüchtlingsarbeit nach der Wahl

Viele Engagierte, wenige Hetzer

Die Wahlen in Österreich haben die ÖVP von Sebastian Kurz als Sieger hervorgebracht. Sein Flüchtlingskurs scheint im Alpenland offenbar mehrheitsfähig zu sein. Was bedeutet der Wahlausgang aber jetzt für die Flüchtlingsarbeit konkret?

Flüchtlinge an der Brenner-Bahnhofsstation zwischen Italien und Österreich / © Expa/Johann Groder (dpa)
Flüchtlinge an der Brenner-Bahnhofsstation zwischen Italien und Österreich / © Expa/Johann Groder ( dpa )

domradio.de: Papst Franziskus hat immer wieder den Schutz der Geflüchteten angemahnt. Die Wahlgewinner in Österreich setzen das anscheinend anders. Wie läuft die Flüchtlingsarbeit denn zurzeit bei Ihnen?

Dr. Rainald Tippow (Leiter der "PfarrCaritas und Nächstenhilfe" und Ethikbeauftragter der Caritas der Erzdiözese Wien): Ganz grundsätzlich ist es so, dass im kirchlichen Bereich die Arbeit mit Menschen auf der Flucht und die Migrationsarbeit zwar ein Thema ist. Dies ist aber neben all den anderen Themen, die hier einfach anstehen und die kirchlicherseits wahrgenommen werden, wie beispielsweise Lebensmittelausgaben, Wärmestuben, Lerncafés, Begleitung sterbender Menschen oder Besuchsdienste bei einsamen Menschen zahlenmäßig einfach deutlich geringer.

Wenn man sich die Gesamtheit anschaut, dann haben wir insgesamt ungefähr 3.500 pfarrliche soziale Projekte in unserer Diözese und 250 Projekte, die sich im Bereich der Integration von Menschen auf der Flucht engagieren. Das sind deutlich weniger als zehn Prozent.

domradio.de: Aber ernten diese Bereiche nicht jetzt Kritik? Wahlgewinner Sebastian Kurz von der ÖVP hat im Wahlkampf auf einen restriktiven Flüchtlingskurs gesetzt und damit eine große Mehrheit erzielt. Wie sieht es in der katholischen Flüchtlingshilfe aus. Kommt da auch Kritik an?

Tippow: Natürlich gibt es auch Kritik. Insgesamt können wir aber feststellen, dass es nach wie vor tausende Menschen gibt, die sich in diesem Sektor sehr positiv engagieren und dass die Arbeit im Konkreten mit der politischen Diskussion glücklicherweise relativ wenig zu tun hat. Natürlich gibt es Diskussionen. Aber die konkrete Arbeit mit den Menschen steht im Vordergrund. Es gibt die Tausenden, die sich engagieren. Es gibt dem gegenüber wenige, die viel Lärm machen und eine Stimmung der Angst und Ausgrenzung erzeugen wollen.

Seitens unserer Pfarrgemeinden halten wir einfach fest, dass es uns bewusst sein muss, dass das Erschweren der Bedingungen für Menschen auf der Flucht durch den Staat zunächst einmal für die betroffenen Menschen dramatisch ist. Es ist aber in jedem Fall ökonomisch dumm, denn jede Verzögerung der Integration könnte auf uns als Gesellschaft insgesamt zurückfallen. Wir erleben eine Ambivalenz. Wir erleben eine öffentliche Diskussion und wir erleben, dass es im Konkreten sehr viel besser funktioniert, als uns so manche öffentliche Diskussion weismachen möchte.

domradio.de: Dann sieht die Realität doch anders aus als die Wahlkampfparolen.

Teppow: Die Menschen, die sich engagieren, machen das relativ unabhängig davon, wie die öffentliche Diskussion geführt wird.

domradio.de: Sie beobachten sicherlich auch die künftige Regierungsbildung. Wird es eine Koalition mit der SPÖ oder der FPÖ geben? Mit der FPÖ sähe es nicht mehr so gut aus für Ihre Arbeit, oder?

Teppow: Für unsere konkrete Arbeit, die ja im Wesentlichen von freiwilligen, ehrenamtlichen Gruppierungen getragen wird, sehe ich keine großen, dramatischen Auswirkungen. Ich glaube, es wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird. Wir werden sehen, wie es dann ganz konkret aussieht. Eine politische Prognose traue ich mir in diese Richtung ganz schwer zu.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR