Caritas-Präsident bewertet im domradio Integrationsgipfel positiv - und appelliert an Türken-Verbände

"Entscheidender Schritt nach vorne"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den zweiten Integrationsgipfel als Erfolg bewertet. Das Treffen am Donnerstag im Kanzleramt sei "ein Meilenstein in der Geschichte der Integrationspolitik", sagte sie bei der Vorstellung des "Nationalen Integrationplans". Mit beteiligt am Gipfel: Caritas-Präsident Monsignore Dr. Peter Neher. Im domradio-Interview sprach er von einem "entscheidenden Schritt nach vorne". Und appellierte zugleich an die türkischen Verbände, die das Treffen boykottiert hatten.

 (DR)

"Es gilt die Gesetzgebung zu respektieren"
"Wir schauen in unseren eigenen Reihen, wie wir Diskriminierung abbauen können", sagt Dr. Peter Neher, Präsident der Caritas. Integration sei eine Zukunftsaufgabe unserer Gesellschaft. "Wir haben dieses Thema über viele Jahre ignoriert und wollten im Grunde nicht wahrnehmen, dass hier eine große Gruppe von Menschen nicht nur als Gäste bei uns sind, sondern die Heimat suchen und hier leben wollen", so Neher. Die Bundesregierung habe hier einen entscheidenden Schritt nach vorne getan.

Die Absage der drei türkischen Verbände an den Gipfel sei dabei „mit großem Bedauern"  wahrgenommen worden, sagt Neher. Man müsse aber positiv betonen, dass die Verbände in den Arbeitsgruppen im ganzen vorigen Jahr „sehr konstruktiv" mitgearbeitet haben. "In kritischen Punkten würden wir die Kritik der Verbände genauso teilen", sagt Neher.

Dennoch gelte es die Gesetzgebung zu respektieren. "Es geht nun darum, Formen zu suchen, an diesen Themen weiter zu arbeiten", erklärt Neher. Die Einladung an die Verbände, sich am weiteren Dialog zu beteiligen gelte weiter, auch um "aus dieser Ecke wieder heraus zu kommen, in die sie sich selbst gebracht haben."

Nächstes Treffen 2008
Der vorgelegte Nationale Integrationsplan sei eine Antwort auf die Situation der 15 Millionen Migranten in Deutschland. Jeder Bürger solle die Chance auf Integration haben. "Es ist ein nachprüfbares Werk geworden", betonte Merkel.

Die Bundeskanzlerin kündigte an, dass die Umsetzung des Integrationsplans bei einem neuen Treffen im Herbst 2008 überprüft werden soll. Aus dem Plan würden Indikatoren herausgefiltert, um nachzuweisen, welche Fortschritte erzielt worden seien.

Kritisch äußerte sich die Kanzlerin zu den Forderungen einiger türkischer Verbände, die den Gipfel boykottiert hatten. Diese hatten Änderungen am neuen Zuwanderungsrecht angemahnt, weil es ihrer Ansicht nach Migranten diskriminiert. "Der Bundesregierung stellt man keine Ultimaten", sagte Merkel dazu. Das verbiete sich insbesondere, wenn es sich um ein parlamentarisches Verfahren handele. Die Kanzlerin betonte aber zugleich die weitere Dialogbereitschaft der Bundesregierung.

Die Wirtschaft will jungen Migranten bessere Chancen bieten
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), würdigte, dass sich alle Ebenen der Gesellschaft eingebracht hätten, um die Integration voranzubringen. Wichtig sei "die Bereitschaft von beiden Seiten, für Integration zu arbeiten", sagte Böhmer. Sie kündigte an, der Bund wolle unter anderem die Stundenzahl der Integrationskurse von 600 auf 900 erhöhen. Auch solle es spezielle Angebote für Jugendliche und für Frauen geben. Die Wirtschaft habe zugesagt, jungen Migranten bessere Chancen bei der Ausbildung zu geben.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) sagte, es sei wichtig, dass nach der Zuwanderungsreform nun der nächste Schritt getan werde.
In den Diskussionen sei deutlich geworden, dass die Rolle der Frauen bei der Integration besondere Bedeutung habe. Es bedürfe keiner neuen Straftatbestände zum Schutz vor Zwangsverheiratungen und Gewalt. Vielmehr gehe es darum, alle bestehenden Regelungen auszuschöpfen und darüber gemeinsam zu informieren.

Türkische Verbände erwägen Klage gegen Zuwanderungsrecht
Die türkischen Verbände, die den in Berlin tagenden Integrationsgipfel boykottieren, erwägen wegen des Zuwanderungsrechts eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Das neue Zuwanderungsrecht diskriminiere deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund, sagte der Dialogbeauftragte der Türkisch- Islamischen Union der Anstalt für Religion, Bekir Alboga, in einem Interview der Tageszeitung "Rheinpfalz".

In Berlin hatte zuvor der zweite Integrationsgipfel der Bundesregierung ohne die großen türkischen Verbände begonnen. Sie hatten ihre Teilnahme wegen der Neuregelung des Zuwanderungsrechts abgesagt. Zum Integrationsplan sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, die Verbände befürworteten "90 Prozent des Inhalts".

Proteste gegen die Reform des Zuwanderungsrechts
Vor dem Treffen im Bundeskanzleramt protestierten der Deutsche Gewerkschaftsbund und mehrere Migrantenverbände gegen die Reform des Zuwanderungsrechts. Sie warnten vor Verschärfungen im Ausländerrecht.
Es gebe einen "eklatanten Widerspruch" zwischen dem nationalen Integrationsplan und dem neuen Zuwanderungsgesetz, kritisierte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Sie äußerte Verständnis für den Boykott.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) kritisierte dagegen den Boykott. Der Integrationsgipfel habe trotz des Fernbleibens einiger Verbände eine Signalwirkung für verstärkte Eingliederungsbemühungen, sagte der EKD-Bevollmächtigte in Berlin, Stephan Reimers. Zugleich bekräftigte er die Kritik der großen Kirchen an der Zuwanderungsreform. Er schloss nicht aus, dass die EKD eine Verfassungsklage gegen das Zuwanderungsgesetz unterstützen würde.

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