"Stell' sich das mal einer vor, da wohnen jetzt tatsächlich Flüchtlinge in der Turnhalle, und mein Kind kann dort keinen Sport mehr machen." Es folgt ein Fluch über "die" Ausländer. Doch die Angesprochenen wollen sich auf diese Worte nicht einlassen. Einer widerspricht: Die Kinder könnten doch auch draußen Sport machen. "Es ist doch Winter und kalt draußen, das geht doch nicht.
Und überhaupt bekommen die Flüchtlinge doch eh alles", kommt als Antwort zurück. Erneuter Widerspruch: Woran sich das denn festmachen lasse? Das Gespräch gerät ins Stocken - und einige Minuten später beendet Trainer Tim Ackermann das Rollenspiel. Mit rund einem Dutzend Teilnehmer hat er sich in den Räumen der Caritas in Gelsenkirchen zu einem Strategieworkshop getroffen.
Pilotprojekt "Sach wat!"
Caritasmitarbeiter, Pflegeschüler und angehende Erzieher lernen in dem Pilotprojekt "Sach wat! Tacheless für Toleranz" des Essener Diözesancaritasverbandes, wie sie mit Leuten umgehen, die in Zeiten des Flüchtlingszuzugs mit ausländerfeindlichen Parolen Stimmung machen wollen.
Die Sozialpädagogin Wera Schepers hatte in dem Szenario die Aufgabe, in die Rolle einer Hetzerin zu schlüpfen. "Ich habe mich gar nicht ernst genommen gefühlt", resümiert die 34-Jährige im Anschluss. "Mir hat gar keiner zugehört." Für ihre Gesprächspartner heißt das im Umkehrschluss: Gut gemacht. Sie gingen bei dem Rollenspiel auf die ausländerfeindlichen Äußerungen nicht ein. Genau das ist das Ziel des Argumentationstrainings gegen Stammtischparolen.
Für den Umgang mit menschenverachtenden Äußerungen hat Trainer Ackermann einige Tipps parat: "Rückfragen stellen ist immer gut", erklärt der Bildungsreferent. Das Nachhaken könne Gesprächspartner irritieren und aus dem Konzept bringen. Auf keinen Fall sollte man seinen Angaben zufolge mit einem anderen Spruch gegenhalten und sich auf ein "Parolenspringen" einlassen. "Ziel muss es sein, mit dem Gegenüber in ein Gespräch zu kommen."
Das gelingt nicht immer. "Manchmal kommt ihr gegen die Parolen einfach nicht an", erklärt Ackermann dem Kurs. Dann sei es wichtig, eine Grenze zu ziehen. "Macht dem Gegenüber deutlich, dass ihr seine Position nicht teilt und beendet das Thema."
Anregungen für den Alltag
Vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Erfahrungen finden die elf Teilnehmer solche Trainings nach eigenem Bekunden immer wichtiger. In ihrem Alltag und Beruf würden sie zunehmend mit Hassbotschaften konfrontiert. So arbeitet Schepers in einer Kontakt- und Beratungsstelle für psychisch kranke Menschen. Dort bekomme sie schon mal Phrasen wie "Man traut sich ja abends gar nicht mehr auf die Straße" zu hören. Von dem Training erhoffe sie sich deshalb Anregungen, um in solchen Fällen schlagkräftig antworten zu können.
Die anderen im Kurs machen ähnliche Erfahrungen. Ein häufig zu hörender Satz lautet: "Für die Flüchtlinge werden Arbeitsplätze geschaffen, und uns lässt man hängen." Oder: "Ich bin ja nicht ausländerfeindlich, aber schicken Sie mir zur Betreuung bitte eine Deutsche." Um damit angemessen umzugehen, stehen in dem Workshop neben dem Rollenspiel auch theoretische Überlegungen rund um Rassismus und Vorurteile auf dem Programm. "Häufig haben Leute, die solche Parolen austeilen, ein eigenes Problem in der Gesellschaft", erläutert Ackermann. So stecke hinter dem Vorwurf, Ausländer nähmen Jobs weg, die eigene Angst vor Arbeitslosigkeit.
Kein Patentrezept
Der Kursleiter sieht hier einen Anknüpfungspunkt für die Auseinandersetzung. "Eine mögliche Strategie ist es, die hinter den Parolen steckenden Probleme klar anzusprechen und aufzudecken." Von da aus könne sich dann ein Gespräch entwickeln, bei dem das Gegenüber erst einmal von den menschenfeindlichen Parolen abgebracht wird.
Welche Strategie im Umgang mit Stammtischparolen wirklich hilft, hängt aber immer von der jeweiligen Situation ab. Ein Patentrezept gibt es laut Ackermann nicht. Das Seminar könne nur Denkanstöße bieten. "Jeder muss letztlich für sich selbst die richtige Methode herausfinden."