DOMRADIO.DE: Wirken sich die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine und dem Westen auch auf den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen CCEE und seine Mitgliedskirchen aus?
Erzbischof Gintaras Linas Grušas (Erzbischof von Wilnius und Vorsitzender des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen / CCEE): Die Konferenzen und die Kirchen selbst sind sehr eng miteinander verbunden. Wenn also eine der Kirchen ein Problem hat - ein Mitglied dieses Gebildes - leiden auch alle anderen darunter. Es ist also diese Gemeinschaft, die uns dazu bringt, unsere Sorgen mitzuteilen, aber auch im Gebet um Frieden und Heilung für alle Mitglieder aller betroffenen Parteien zu bitten.
DOMRADIO.DE: Wie geht der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen CCEE mit dem Konflikt um? Versuchen Sie, Brücken zwischen den beiden Seiten zu bauen?
Grušas: Da fordern wir zum Dialog auf, zum diplomatischen Vorgehen, zur Suche nach einer diplomatischen Lösung, während wir uns gleichzeitig gegenseitig im Gebet unterstützen und diejenigen im Gebet unterstützen, die versuchen, eine diplomatische Lösung zu finden, eine friedliche Lösung, denn das Leid durch Krieg ist in Europa nur allzu gut bekannt. Krieg bringt Verletzungen, Tod und wirtschaftliche Not mit sich. Daher steht die Absicht, dies in jeder Hinsicht zu verhindern, ganz oben auf der Tagesordnung aller Kirchen.
DOMRADIO.DE: Inwiefern?
Grušas: Die Bischöfe in Litauen haben alle Menschen in Litauen gebeten, im Februar jeden Tag den Rosenkranz zu beten und für den Frieden in Europa und in der Welt zu bitten. Der Heilige Vater rief Ende Januar zu einem Tag des Fastens und des Gebets für den Frieden auf, insbesondere für die Ukraine im Hinblick auf die Grenzsituation. Aber es gibt einen laufenden Dialog sowohl zwischen den Kirchen als auch zwischen jeder Kirche und ihrer eigenen lokalen Regierung. Dieser Dialog ist also etwas, das ständig stattfindet. Wenn wir also den Wunsch äußern, den Frieden zu bewahren, wird dies Teil unseres Dialogs, sowohl zwischen den Kirchen als auch mit unseren lokalen Regierungen.
DOMRADIO.DE: Was denken die Katholiken im Baltikum über diesen Konflikt mit Russland?
Grušas: Die Katholiken - und nicht nur die Katholiken - erinnern sich alle an die Geschichte vor 30 Jahren und an die 50 Jahre, in denen das Land durch die Sowjetunion besetzt war. Das ist etwas, das nicht aus der Vergangenheit verschwindet. Das ist sehr präsent. Es gibt viele ältere Menschen, die den Zweiten Weltkrieg überlebt haben. Das sind Spuren in unserer Vergangenheit, die uns sehr bewusst sind und sie werfen auch einen Schatten auf die aktuelle Situation. Aber das ist etwas, das wir um jeden Preis vermeiden wollen. Wir kennen die damit verbundenen Gefahren. Deshalb versuchen wir, sowohl durch Gebet als auch durch Dialog eine friedliche Lösung zu finden.
Das Interview führte Julia Reck.