CDU-Bundestagskandidatin Bosbach kritisiert aktuellen Politikstil

"Die Wortwahl wird immer gruseliger"

Sie ist die Tochter des CDU-Urgesteins Wolfgang Bosbach und eifert ihrem bekannten Vater nun mit ihrer Bewerbung um ein Direktmandat für den Bundestag nach. In der aktuellen Debatte hält sie unbeirrt zu Kanzlerkandidat Friedrich Merz.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Caroline Bosbach (privat)
Caroline Bosbach / ( privat )

DOMRADIO.DE: Ihr Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat mit seinem Vorstoß, der Migrationspolitik strengere Daumenschrauben anzulegen und damit – zumindest billigend – auch auf die Zustimmung der AfD zu spekulieren, für viel Kritik gesorgt. Wie groß der Imageschaden sein wird, werden die Wähler am 23. Februar entscheiden. Waren diese Profilierung auf Kosten der eigenen Glaubwürdigkeit und die nun nicht wieder einzufangende Debatte um einen Schulterschluss mit der in Teilen rechtsextremen Partei wirklich notwendig?

Caroline Bosbach (CDU-Bundestagskandidatin für den Rheinisch-Bergischen Kreis): Es gibt keinen "Schulterschluss" zwischen der Union und der AfD. Die AfD hat im Bundestag einem Antrag und einem Gesetzentwurf der Union zugestimmt, das ist alles. Wenn die Restampel meint "Die Union darf nur Anträge einbringen, wenn sie zuvor die Zusage der AfD eingeholt hat, dass diese nicht zustimmt, oder wenn unsere Zustimmung sicher ist", dann wäre die Union im Bundestag handlungsunfähig. Genau darum geht es Rot-Grün ja. Wie die Wählerinnen und Wähler das sehen, wissen wir in der Tat erst am 23. Februar um 18 Uhr. Frühestens.

DOMRADIO.DE: Auch wenn man Merz sicher unterstellen darf, kein Bündnis mit der AfD eingehen zu wollen, hat er sich zweifelsohne mit seinen Vorschlägen Sympathien verscherzt. Zudem hat er dem Vorhaben, für mehr Sicherheit in Deutschland mit strengeren Einreisebedingungen sorgen zu wollen, nebenbei das geopfert, was bisher fundamental in der Migrationspolitik war: eine auf Mitgefühl und nicht zuletzt christlichen Werten basierende Solidarität, wie sie die CDU-Regierung in der Flüchtlingskrise 2015 verkörpert hat. Nun geht es nur noch um die Kriminellen unter den Geflüchteten, die aber nur einen geringen Prozentsatz ausmachen und zumeist Einzeltäter sind. Wie weit geht da Ihr persönliches Verständnis für den CDU-Parteichef?

Bosbach: Er mag sich Sympathien verscherzt haben, aber er hat auch neue gewonnen! Ich bin im Wahlkampf täglich im Einsatz, unterwegs draußen bei den Menschen. Ja, es gab und gibt Kritik, aber nicht wenige Menschen sagen, dass sie jetzt tatsächlich daran glauben, dass das mit der Migrationswende ernst gemeint ist. Dass wir nicht nur reden, sondern handeln. Es geht auch nicht nur um die Kriminellen unter den Flüchtlingen – sondern darum, ob wir nicht anhaltend die Aufnahme- und Integrationskraft unseres Landes überfordern. Im abgelehnten Gesetzentwurf der Union standen Forderungen aller 16 Ministerpräsidenten, inklusive der von der SPD und von Herrn Kretschmann. Abgelehnt von Rot-Grün. Aber verantwortlich soll die Union sein. Hier läuft gewaltig was schief.

DOMRADIO.DE: Am 23. Februar wollen Sie als CDU-Direktkandidatin für den Rheinisch-Bergischen Kreis in den Bundestag einziehen und mit diesem Mandat Ihrem Vater Wolfgang Bosbach nachfolgen. Was genau motiviert Sie dazu, politische Verantwortung übernehmen zu wollen? 

Caroline Bosbach (CDU) und ihr Vater Wolfgang im Jahr 2023 / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Caroline Bosbach (CDU) und ihr Vater Wolfgang im Jahr 2023 / © Karl-Josef Hildenbrand ( (Link ist extern)dpa )

Bosbach: Die Liebe zu meinem Land, zu meiner Heimat. Das mag pathetisch klingen, kommt aber von Herzen. Bei uns zu Hause war immer eher politikfreie Zone. Dann habe ich ab 2015 längere Zeit in Deutschlands größter Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Berlin gearbeitet – und habe dabei die unübersehbare Diskrepanz zwischen Realität und veröffentlichter Meinung entdeckt. Diese Zeit hat mich mehr politisiert, als es ein politisches Elternhaus je hätte tun können. 

DOMRADIO.DE: Die Polarisierung in der Gesellschaft nimmt zu. Der Wind in Zeiten eines explodierenden Populismus und Nationalradikalismus sowie von "schamlosen Versuchen, rechtsextreme Positionen zu normalisieren", wie Bundeskanzler Scholz das zuletzt genannt hat, ist nicht nur rau, sondern heftig geworden. Wie begegnen Sie diesem neuen Politikstil, der das gesellschaftliche Klima mitunter vergiftet und an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte erinnert?

Caroline Bosbach

"Respekt vor Friedrich Merz, wie er das alles wegsteckt."

Bosbach: Mit großer Skepsis und Sorge. Kontroverse Debatten sind im Wahlkampf normal – aber die Wortwahl wird immer gruseliger, Hass und Hetze haben Konjunktur. Respekt vor Friedrich Merz, wie er das alles wegsteckt. Und dann natürlich die Nazi-Keule, immer griffbereit beim antifaschistischen Widerstand. Alles ganz schlimm.

DOMRADIO.DE: Eines der verstörendsten Worte in den letzten Wochen war sicher der Begriff "Remigration", der nun auch im offiziellen Vokabular der AfD auftaucht. Wie lässt sich auf eine solche Provokation antworten?

Bosbach: Mit glasklarer Ablehnung einerseits und sachlich fundierter Argumentation andererseits. "Remigration" ist kein Argument, sondern eine Provokation für alle Vernunftbegabten.

DOMRADIO.DE: Erst kürzlich haben Sie auf die Frage, wohin Sie am liebsten gehen, wenn Sie mal ganz für sich sein wollen, geantwortet: Ruhe und Besinnung finde ich in Kirchen, jenseits von Gottesdiensten. Was verbinden Sie mit solchen Räumen? 

Bosbach: Innere Einkehr, Ruhe und das Gespräch mit Gott. 

DOMRADIO.DE: Bleiben wir einmal bei Ihrer katholischen Sozialisation. Wie schätzen Sie die Bedeutung von Religion und christlichen Werten und ganz konkret die Rolle der Kirche in unserer Gesellschaft ein? Und wie nehmen Sie deren öffentliche Präsenz in der politischen Landschaft wahr – vielleicht gerade auch bei der Asylfrage?

Caroline Bosbach

"Mittlerweile fällt es auch immer schwerer, Kirchentage von Parteitagen zu unterscheiden. Keine gute Entwicklung."

Bosbach: Es wäre schön, wenn sich die Kirche etwas mehr auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und etwas weniger Aktivismus in Wahlkämpfen pflegen würde. Ein Beispiel: Am gleichen Tag, als im Bundestag wegen des gleichen Stimmverhaltens von CDU/CSU und AfD wegen der Asylpolitik die Hölle los war, hat ein Teil der AfD beim Thema "Novellierung des § 218 StGB" mit Rot-Grün gestimmt. Nur die Stimmen der AfD haben das Thema auf der Tagesordnung des Rechtsausschusses gehalten. Gab es da in der Kirche irgendwelche Aufregung? Hat die Bischofskonferenz eine scharfe Stellungnahme abgegeben? Nein. Hier stimmt was nicht. Mittlerweile fällt es auch immer schwerer, Kirchentage von Parteitagen zu unterscheiden. Keine gute Entwicklung.

DOMRADIO.DE: Sie haben Wirtschaftskommunikation studiert, arbeiten in der Energiewirtschaft und sind Bundesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrates der CDU. Wirtschaft ist neben Migration auch eines der Hauptthemen dieses Bundeswahlkampfes, weil die Menschen Zukunftssorgen umtreiben, vor allem aber die Angst, dass sie zukünftig große Abstriche bei ihrem Wohlstand machen müssen. Was bedeutet Ihnen in diesem Kontext das Wort "Soziale Gerechtigkeit" bzw. gerechte Verteilung?

Bosbach: Ich bin ein großer Fan des Begriffes "Soziale Gerechtigkeit". Aber die schulden wir nicht nur den Empfängern staatlicher Leistungen, sondern auch denen, die dafür arbeiten, dass es überhaupt etwas zu verteilen gibt. Nur wenn wir wirtschaftlich wieder stark und wettbewerbsfähig sind, werden wir auch den Sozialstaat immer weiter festigen und ausbauen können.

DOMRADIO.DE: Was ist Ihre politische Kernbotschaft und was Ihre ganz persönliche Hoffnung für die Politik nach dem 23. Februar?

Bosbach: Zunächst: Kommt mal alle wieder runter! Nach dem 23. Februar kommt der 24. Februar – und dann muss es ja irgendwie weitergehen. Am besten im Mittelpunkt des demokratischen Spektrums, ohne Rechts- und Linksaußen.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti.

Quelle:
DR

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