Mit dem neuen biotechnischen Verfahren können Wissenschaftler das Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen gezielt verändern. Durch die mit einer "Hochpräzisions-Schere" verglichene Technik können einzelne Gene oder kleinste DNA-Bausteine mit Hilfe zelleigener Enzyme eingefügt, verändert oder ausgeschaltet werden.
Ursprünglich ist die "Crispr/cas"-Methode Bakterien abgeschaut. Sie haben eine Art Immunsystem entwickelt, mit dem sie Angriffe von Viren erkennen und abwehren können. 2012 hatten Charpentier vom Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie und die US-Biochemikerin Jennifer Doudna die Idee, daraus ein molekularbiologisches Werkzeug zu entwickeln.
Wissenschaftler hoffen, damit in der Pflanzen- und Tierzucht zum Beispiel ertragreichere oder krankheitsresistente Sorten und Rassen zu entwickeln. Im Sommer 2018 entschied der Europäische Gerichtshof in einem Grundsatzurteil, dass auch die mit einer Gen-Schere manipulierten Pflanzen als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden müssen.
Im Bereich der Medizin erwarten Forscher, dass möglicherweise menschliche Gendefekte repariert und damit Erkrankungen wie die Malaria und schwere Erbkrankheiten wie Mukoviszidose, Sichelzellanämie oder Muskeldystrophie verhindert werden können.
Umstritten sind dabei Eingriffe in die menschliche Keimbahn, weil die Erbgutveränderungen Auswirkungen auf alle künftigen Generationen haben. Im April 2015 berichteten chinesische Forscher erstmals, menschliche Embryonen mit "Crispr/cas" genetisch verändert zu haben. Die Embryonen wurden aber nicht weiterentwickelt oder eingepflanzt. Im November 2018 teilte dann ein chinesischer Wissenschaftler mit, er habe das Erbgut von gerade zur Welt gekommenen Zwillingsmädchen im frühen Embryonen-Stadium mit Hilfe der Genschere verändert. In Deutschland sind Eingriffe in die menschliche Keimbahn bislang nicht erlaubt.
Eine 2018 veröffentlichte Studie zeigte allerdings, dass die viel gepriesene Genschere bislang nicht so gut funktioniert, wie bislang behauptet. Sie verursache regelmäßig ungewollte Mutationen, erklärten britische Wissenschaftler. Das geschehe auch in Bereichen des Erbgut. (KNA / 07.10.2020)