Chiles Präsidentin Bachelet ruft zur Versöhnung auf - Ex-Diktator Pinochet wird mit militärischen Ehren beigesetzt

"Chile darf nicht vergessen"

Der Tod des früheren Diktators Augusto Pinochet ist in Chile mit Erleichterung, aber auch mit Trauer aufgenommen worden. Staatspräsidentin Michelle Bachelet rief am Montag zur Aufarbeitung der Verbrechen und zur Versöhnung auf. "Chile darf nicht vergessen", sagte sie. Zugleich versammelten sich Anhänger und Angehörige des ehemaligen Machthabers, um von Pinochet Abschied zu nehmen. Politiker im In- und Ausland sprachen vom Ende eines dunklen Zeitabschnitts. Menschenrechtler und Angehörige von Diktatur-Opfern bedauerten, dass Pinochet nie verurteilt wurde.

 (DR)

Beerdigung am Dienstag
Amnesty international rief dazu auf, die Verfahren wegen Mord, Folter und Entführungen zu beschleunigen. "Chile kann das Kapitel Menschenrechtsverletzungen jetzt nicht schließen, die Opfer sollten zumindest symbolisch entschädigt werden", sagte die Chile-Expertin der Menschenrechtsorganisation, Virginia Shoppee, in London dem epd.

Pinochets Leichnam war in einer Militärakademie in Santiago aufgebahrt. An diesem Dienstag soll der Ex-Diktator mit militärischen Ehren beigesetzt werden. Die Koalition aus Sozialisten und Christdemokraten verweigerte ihm aber ein Staatsbegräbnis. Pinochet hat Chile an der Spitze einer Militärjunta von 1973 bis 1990 beherrscht. Er starb am Sonntag im Alter von 91 Jahren in Santiago.

Bachelet verurteilte die Ausschreitungen nach dem Tod Pinochets. Tausende hatten sich zu Freudenkundgebungen versammelt. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Demonstranten in der Nähe des Präsidentenpalastes vor. Es gab 99 Festnahmen und mehrere Verletzte, wie die chilenische Zeitung "La Tercera" in ihrem Online-Dienst berichtete.

Kirchen mahnten zum Respekt vor dem Toten
Der Vorsitzende der katholischen chilenischen Bischofskonferenz, Alejandro Goic, sagte, Gott habe auch mit einem der größten Sünder Erbarmen. Der pensionierte anglikanische Erzbischof von Kapstadt, Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, mahnte in Genf, auch Pinochet sei "ein Kind Gottes" gewesen.

Der deutsche Theologe Helmut Frenz, der von 1970 bis 1975 Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile war, empfahl die Fortführung der Ermittlungsverfahren zur Pinochet-Diktatur. "Chile braucht eine deutliche Verurteilung der Verantwortlichen", sagte er am Montag in Santiago dem epd.

Der chilenische Innenmister Belisario Velasco sagte, Pinochet werde als "klassischer rechter Diktator, der die Menschenrechte gravierend verletzt und sich bereichert hat, in die Geschichte eingehen." Isabel Allende, die Tochter des 1973 von Pinochet gestürzten Präsidenten Salvador Allende, nannte es schmerzlich, dass der ehemalige Machthaber nie verurteilt wurde.

Anhänger Pinochets sprachen dagegen von Verdiensten des verstorbenen Generals. Die konservative Partei "Unabhängige Demokratische Union" erklärte, die Regierung Pinochets habe "den Wiederaufbau einer Demokratie und der Institutionen ermöglicht, die bis in ihre Fundamente zerstört waren". Er habe das Land modernisiert und sei dabei verantwortungsvoll vorgegangen.

Lula erleichtert, Thatcher betrübt
Nach den Worten des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva steht Pinochet für eine düstere Epoche in der Geschichte Südamerikas. "Es war eine lange Nacht, in der die Lichter der Demokratie durch autoritäre Staatsstreiche ausgelöscht wurden", sagte Lula über die Militärdiktaturen der 60er bis 80er Jahre.

Die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher, eine langjährige Verbündete Pinochets, bekundete "tiefe Trauer" über den Tod des Generals im Ruhestand. Für die US-Regierung ist die Pinochet-Diktatur nach den Worten von Regierungssprecher Tony Fratto "eine der schwierigsten Perioden" in der Geschichte Chiles: "Unsere Gedanken sind mit den Opfern seiner Herrschaft und deren Familien." Die USA hatten Pinochets Putsch 1973 und sein Militärregime unterstützt.

Pinochet war kurz nach seinem 91. Geburtstag am 25. November wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen erneut unter Hausarrest gestellt worden. Während seiner Diktatur wurden mehr als 3.000 Menschen aus politischen Gründen ermordet, Zehntausende gefoltert und Hunderttausende ins Exil getrieben.