"Ich war Jesus und habe das Kreuz getragen, bis ich zusammengebrochen bin und mir ein Mann aus dem Volk geholfen hat", sagt Marlon. Wie stolz er ist angesichts der Bürde dieser großen Aufgabe, steht ihm noch immer deutlich im Gesicht geschrieben.
"Ich saß auf einem Stein und war der Engel", berichtet Maya. "Aber dass sich niemand vor mir fürchten muss, durfte ich nur in Bewegungen andeuten." In einer anderen Runde hat sie einen der zwölf Jünger gespielt. Die Frauen am Grab haben Lena, Constanze und Pia pantomimisch dargestellt. Und die übrigen Kinder der Gruppe durften ebenfalls wählen, in welche Rolle sie einmal schlüpfen wollten.
Spielerisch Ostern erarbeiten
Dann sollten die anderen jeweils herausfinden, um welche Szene der Passions- und Ostergeschichte es sich handelt. Phantasievoll improvisierte Requisiten – umgekippte Schulbänke für das steinerne Grab und weiße Tücher für den Engel – sollten bei dem Ratespiel zusätzliche Hinweise liefern.
Schließlich ging es spielerisch darum, den Neun- bis Zwölfjährigen ein Gefühl dafür zu geben, wie es den Menschen damals vor 2000 Jahren ergangen ist, als sie als Zeugen von Jesu Leidensweg nach Golgatha den Straßenrand säumten und später hilflos mit ansehen mussten, wie er ans Kreuz genagelt wurde.
Eigenen Glauben reflektieren können
Den Verantwortlichen der Kölner Dommusik, den Chorleitern Eberhard Metternich und Oliver Sperling, geht es aber auch darum, die jungen Sängerinnen und Sänger, die in der Karwoche ein überaus fleißiges Programm zu stemmen haben, immer wieder neu mit den Berichten der Evangelisten zum Leidens- und Auferstehungsgeschehen vertraut zu machen und sie in diesem Glaubenswissen zu festigen.
"Denn wenn sie am Karfreitag eine Passion singen oder am Ostersonntag eine lateinische Motette über die Freude der Auferstehung, sollen sie mit dieser Musik den eigenen Glauben reflektieren können", argumentiert Metternich. Dahinter stecke ein pädagogisches Konzept.
"Wir wollen den Kindern ermöglichen, in die entscheidenden Glaubensgeheimnisse eintauchen zu können. Dafür aber müssen sie verstehen, um was es geht", erklärt der Leiter der Dommusik. "Denn berührt sein vom Kreuzweg, dem Leiden und Sterben Jesu, schafft eine viel intensivere Erlebnisfähigkeit und wirkt sich letztlich auch stark auf das musikalische Ergebnis aus."
Im Mädchenchor am Kölner Dom und im Kölner Domchor gehört die pädagogisch intensiv von einem Team um Dominique Holtmann und Susanne Wetzler begleitete Karwoche zu den Kernstücken der Choraktivitäten im Verlauf eines Jahres.
Abwechslungsreiches Rahmenprogramm
Während Metternich und Sperling mit den Kindern intensiv an dem musikalischen Programm feilen, sorgen die beiden Mitarbeiterinnen der Dommusik, die für die Betreuung der Kinder und die Freizeitpädagogik des Lindenthaler Chorzentrums verantwortlich sind, für ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm.
Der stete Wechsel zwischen Basteleinheiten, Runden an der frischen Luft, Chorproben und auch spirituellen Angeboten, wie dem Empfang des Bußsakramentes bei Domvikar Tobias Hopmann, macht die besondere Mischung aus und sorgt zudem für entspannte Kurzweiligkeit.
"Vieles in der Domliturgie geht über die Köpfe der Kinder hinweg, wenn wir nicht Verstehenshilfen dazu anbieten", betont Metternich. "Deshalb müssen wir wesentliche Inhalte immer auf den Erkenntnisstand dieser Altersgruppe herunterbrechen. Das ist unsere pädagogische Verantwortung, wenn wir wollen, dass die Kinder mit dem Herzen dabei sind."
Erklärungsbedüftige Symbole
Die Kar- und Osterliturgie habe so viele Symbole, die für Kinder erklärungsbedürftig seien. Es müsse beispielsweise erläutert werden, warum der Altar abgedeckt, jede Form von Kirchenschmuck entfernt oder am Karfreitag keine Orgel gespielt werde. "Über die Erklärung dieser äußeren Zeichen kommen sie dann auch zum inneren Erleben." Von daher sei die gezielte Auseinandersetzung mit Kreuz, Leiden und Tod von fundamentaler Bedeutung für die Chormitglieder.
Immer stehe bei diesen pädagogischen Einheiten das Passionsgeschehen im Mittelpunkt, erklärt Dominique Holtmann. Parallel zu den Bibeltexten, die am Vormittag in der Gruppe miteinander gelesen werden, führten auch die Morgengebete in Christi Auferstehung, der Kirche in unmittelbarer Nachbarschaft zu Domsingschule und Chorzentrum, immer anschaulich in die jeweiligen Themen von Palmsonntag bis Ostern ein.
Erstellen einer Osterkerze
"Im vergangenen Jahr haben die Kinder zur Vorbereitung der Beichte ihre Vergehen auf einen Zettel notiert und diesen an ein Kreuz genagelt. In diesem Jahr haben wir uns für die kreative Schwerpunktaktion das Erstellen einer Osterkerze überlegt, die die Kinder mit nach Hause nehmen können", schildert die Pädagogin.
Zur Vorbereitung auf die künstlerische Gestaltung hätten sie sich vorher viel mit den Symbolen beschäftigt, die die Kinder dann aus Wachs ausgeschnitten und auf der Kerze angebracht haben: ein Kreuz, die Jahreszahl, einen Fisch, eine Hostie oder Alpha und Omega.
Timon, mit seinen zwölf Jahren einer der ältesten seiner Gruppe und zum dritten Mal in der Karwoche der Dommusik mit dabei, ist schnell mit seinem Kunstwerk fertig. "Ich kenne alle diese Zeichen längst und wusste, ohne lange zu überlegen, wie mein Ergebnis aussehen sollte", erklärt er fröhlich, was er sich bei allem gedacht hat. In der Tat sieht seine Kerze noch einmal origineller und bunter als die anderen in der Reihe aus: Den braunen Balken seiner Kreuzesdarstellung hat er nämlich eine leuchtend gelbe Sonne unterlegt.