DOMRADIO.DE: Was hat Sie dazu bewegt, bei Ihrem Bischof um die Witwenweihe zu bitten?
Christina Becker (Geweihte Witwe und Lehrerin): Es ist ein Prozess gewesen. Letztlich hat mich die Sehnsucht, mein Wirken ganz in den Dienst des Herrn zu stellen, dazu bewogen, um die Witwenweihe zu erbitten. Nach dem Tod meines Mannes bin ich auf die Möglichkeit der Witwenweihe aufmerksam geworden und habe gedacht: "Ja, das ist es".
Ich habe mich über den Stand der geweihten Witwen informiert und mit meinem geistlichen Begleiter darüber gesprochen. Ich habe dann meinem Ortsbischof Stephan Ackermann in Trier einen Brief geschrieben und ihn um die Weihe gebeten. Dann ging alles seinen Gang.
DOMRADIO.DE: Gibt es eine Ausbildung im Vorfeld der Witwenweihe?
Becker: Ich habe das Gefühl, der Herr bildet mich aus. Ich kann da nichts von mir aus lernen, sondern der Herr hat mich darauf vorbereitet. Nachdem ich den Brief an Bischof Ackermann geschrieben hatte, kam ich mit dem zuständigen Beauftragten im Bistum Trier in Kontakt. Dann folgten knapp zwei Jahre der Vorbereitung auf die Witwenweihe, in der ich intensiv begleitet wurde.
In dieser Zeit habe ich auch Exerzitien gemacht. Aber ich habe den Eindruck, dass der Herr mich in vielen kleinen Schritten in meinem vorherigen Leben schon auf die Weihe vorbereitet hat. Das konnte und musste ich nicht selber machen.
DOMRADIO.DE: War auch Ihre Ehe eine Art der Vorbereitung auf die Witwenweihe?
Becker: Auf jeden Fall. Meine Ehe und mein ganzes bisheriges Leben nehme ich als Vorbereitung auf diesen Schritt wahr. Das habe ich auch in meinem Motivationsschreiben an den Bischof so formuliert. Viele Stationen in meinem Leben waren wie Puzzlesteine auf meinem Weg zur Witwenweihe. Für mich war es eine logische Schlussfolgerung, diesen Schritt zu gehen. Meine Ehe habe ich immer auch als Bund zu dritt verstanden, also mit meinem Mann und mit Gott.
Mein Mann und ich haben immer versucht, unsere Kinder im Glauben zu erziehen. Das ist in den heutigen Zeiten nicht immer so einfach. Aber ich empfinde mein ganzes Leben als vom Herrn geführt. Er hat mich an der Hand der Muttergottes bis zur Witwenweihe geleitet, damit ich jetzt noch einmal mein Leben ganz in seinen Dienst stellen kann.
DOMRADIO.DE: Hat die Witwenweihe Sie in gewisser Weise mit dem Tod Ihres Mannes versöhnt?
Becker: Der Tod meines Mannes war ein unglaublich schmerzhafter und tiefer Einschnitt in meinem Leben. Er hat mich in gewisser Weise aus der Bahn geworfen, denn vorher war mein Leben so schön glatt und wunderbar. Dann kam auf einmal dieser Einschnitt, der alles, was vorher war, infrage gestellt hat. In dieser großen Erschütterung war Jesus mein Halt.
Der Herr hat mich durch dieses Tal der Tränen, durch diesen Schmerz hindurchgeführt. Der Verlust meines Mannes schmerzt aber immer noch, ich empfinde immer noch große Trauer darüber, dass er nicht mehr an meiner Seite ist. Die Witwenweihe hilft mir dabei, mich noch mehr auf den Herrn zu stützen und mit ihm meinen Weg zu gehen.
DOMRADIO.DE: Wie hat sich Ihr Leben nach der Witwenweihe verändert?
Becker: Eigentlich gar nicht so sehr. Auch vorher war mein Gebetsleben sehr intensiv. Ich habe schon zuvor die "evangelischen Räte" gelebt, also Armut und Keuschheit. Der Gehorsam ist durch die Weihe dazugekommen, denn ich musste versprechen, dem Bischof gegenüber gehorsam zu sein. Wobei der Bischof für mich stellvertretend für die Kirche und den Herrn steht. Mir ist es wichtig, mit der Lehre der Kirche, der Tradition und dem Wort Gottes übereinzustimmen.
Aber in meinem Alltag hat sich nichts geändert: Ich bin weiterhin in Vollzeit berufstätig und in meine Familie als Großmutter und Mutter eingebunden. Ich versuche mich in meiner Pfarrei mit Rosenkranzgebet und eucharistischer Anbetung, die ich anbiete, einzubringen. Das habe ich vorher schon gemacht und mache es weiterhin.
Aber ich denke mit Blick auf das Ende meiner aktiven Berufstätigkeit in einigen Jahren, dass der Herr vielleicht noch etwas anderes mit mir vorhat. Ich vertraue da ganz dem Herrn, dass er die richtigen Ideen und einen Weg für mich bereit hält.
DOMRADIO.DE: Haben Sie dabei etwas Bestimmtes im Blick?
Becker: Als mein Mann vor acht Jahren gestorben ist, habe ich wirklich in Erwägung gezogen, nach Afrika in die Mission zu gehen oder andere ganz krasse Sachen für den Herrn zu tun. Mit der Zeit habe ich dann aber sehr schnell gemerkt, dass diese Ideen zwar gut sind und es da auch eine Sehnsucht gibt, für den Herrn zu wirken. Ich habe aber auch gesehen, dass ich schon so viele Aufgaben hier vor Ort habe, die auch sehr wertvoll sind.
In Deutschland gibt es immer weniger Glauben und da ist es wichtig, Salz zu sein, Licht zu sein und hier zu wirken. Aber ich bin mit Blick auf die Zukunft wirklich offen. Deshalb habe ich mir bei meiner Weihe als Leitwort das "Fiat" gewählt – also der Wunsch "Dein Wille geschehe, Herr". Wenn Gott mir sagt, dass ich nach Afrika gehen soll, dann werde ich nach Afrika gehen. Wenn er mir sagt, ich soll zuhause bleiben und Kartoffeln kochen, dann werde ich eben das machen.
DOMRADIO.DE: Was sagt Ihre Familie, was sagen Ihre Schülerinnen und Schüler dazu, dass Sie die Witwenweihe empfangen haben?
Becker: Meine Familie ist der Sache positiv gegenüber eingestellt. Am Anfang gab es zwar ein paar Irritationen, etwa die Fragen, was das überhaupt ist und ob ich jetzt in Armut leben muss. Aber dann hat meine Familie gemerkt, dass ich die bleibe, die ich schon vorher war. Seit meine Kinder, meine Geschwister und meine Mama richtig verstanden haben, was die Witwenweihe ist, sind sie auch ein wenig stolz auf mich, denke ich.
Ich möchte Pionierarbeit leisten und diesen kirchlichen Stand etwas bekannter machen. Einige Kollegen in der Schule haben mich darauf angesprochen und gesagt, dass sie noch nie von der Möglichkeit zur Weihe gehört hätten, es aber toll fänden. Ins Bewusstsein der Schüler ist es aber noch nicht wirklich vorgedrungen. Ich habe die Weihe aber auch nicht offensiv angekündigt, sondern in der Schule läuft der Alltag ganz normal weiter.
DOMRADIO.DE: Sie haben es gerade gesagt, Sie wollen bei der Bekanntmachung der Witwenweihe Pionierarbeit leisten. In Ihrem Bistum sind Sie erst die zweite Frau, die die Witwenweihe empfangen hat. Würden Sie sich wünschen, dass mehr Frauen sich dazu entschließen?
Becker: Auf jeden Fall. Das ist so ein begnadeter Stand, der eben, weil er so wenig bekannt ist, bis jetzt wenig in Anspruch genommen wurde. 2016 hat die erste Frau in meinem Bistum Trier die Witwenweihe empfangen. Neun Jahre später wurde nun ich durch unseren Bischof gesegnet. Wir geweihten Witwen sind in ganz Deutschland untereinander vernetzt. Insgesamt sind wir aktuell 18 geweihte Witwen. Einmal im Jahr gibt es ein Treffen aller Witwen, das war dieses Jahr Anfang März in Fulda.
Dabei geht es darum, dass wir uns gegenseitig stützen und durch das gemeinsame Gebet verbunden sind. Ich möchte in unserem Bistum und darüber hinaus so etwas wie ein Leuchtturm sein, der zeigt, dass die Witwenweihe eine Möglichkeit ist, mit dem Tod des Ehemanns und mit der Zeit danach aus dem Glauben heraus positiv umzugehen.
DOMRADIO.DE: Es gibt auch den Stand der geweihten Jungfrauen. Stehen Sie mit diesen Frauen auch in Kontakt?
Becker: Ja, ich habe immer mal wieder Kontakt zu geweihten Jungfrauen. Am geweihten Leben fasziniert mich, dass wir uns nicht hinter Klostermauern zurückziehen. Besonders wir geweihten Witwen stehen mitten im Leben und mitten in der Familie. Durch den Tod unseres jeweiligen Mannes haben wir zudem einen ganz tiefen Schmerz erlebt.
Eine geweihte Witwe kann sich in viele Situationen hineinversetzen. Das merke ich etwa in der geistlichen Begleitung, die ich auch anbiete. Das schätze ich auch an Maria, der Muttergottes: Auch Maria ist eine Witwe gewesen und versteht die Sorgen und Nöte der Menschen. Sie war wahrscheinlich sehr lange Witwe. Man kann davon ausgehen, dass der heilige Josef vor dem öffentlichen Auftreten Jesu gestorben ist.
In den Evangelien ist immer nur von ihr allein die Rede – sonst wäre der heilige Josef mit Sicherheit erwähnt worden. Maria ist den Kreuzweg Jesu mitgegangen und hat ihren Sohn leiden sehen. Sie ist mit Maria aus Magdalena und Johannes unter dem Kreuz geblieben, während alle anderen weggelaufen sind. Maria ist für mich als geweihte Witwe ein ganz großes Vorbild.
Das Interview führte Roland Müller.