Christliche Führungskräfte treffen sich zum Kongress

Kirchentag der Bosse

"An diesem Abend übergab ich Jesus mein Leben", sagt Enrico Paul. Vor zwölf Jahren wurde der frühere DDR-Jugendfunktionär zum Christ. Den Ausschlag gab ein Vortrag über den rumänischen lutherischen Pfarrer Richard Wurmbrand (1909-2001). Wie dieser jahrelang in rumänischer Haft an seinem Glauben festhielt, ließ Paul "nicht mehr los". Heute ist der Bautzener Chef einer expandierenden Zeitarbeitsfirma mit mehr als 700 Mitarbeitern, die er nach christlichen Maßstäben führt.

Das Kreuz am Arbeitsplatz: Mehr als nur Symbol (DR)
Das Kreuz am Arbeitsplatz: Mehr als nur Symbol / ( DR )

"Mit Werten in Führung gehen"
"Meine Geschichte zeigt, was Gott immer wieder möglich werden lässt", meint der Jungunternehmer. Damit trifft er offenbar die Einstellung seiner Zuhörer in der Leipziger Messehalle. Sie quittieren seine Worte mit Applaus. "Mit Werten in Führung gehen", heißt das Motto beim "Kongress christlicher Führungskräfte", der noch bis Samstag tagt. Zum fünften Mal haben die Veranstalter - die evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) und die Firma tempus-Zeitplansysteme (Giengen) - Vertreter aus Kirche, Wirtschaft, Medien und Politik eingeladen.

Mit ihren Kongressen haben idea-Chef Horst Marquardt und tempus-Geschäftsführer Jörg Knoblauch offenbar einen wachsenden Trend aufgegriffen. Die Zahl der Anmeldungen verdreifachte sich seit 1999 auf jetzt über 3.300. Unter den Mitwirkenden sind auch prominente Namen wie Bundestagspräsident Norbert Lammert, ZDF-Moderator Peter Hahne und der frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof. Aus der Wirtschaft kommen Europas größter Schuh-Einzelhändler Heinrich Deichmann und Spirituosen-Unternehmerin Christiane Underberg.

Zwei Drittel der Teilnehmer sind zum ersten Mal dabei, jeder vierte stammt aus den neuen Ländern. Vorträge, Foren, Ausstellungsstände und Andachten sollen ihnen zeigen, "warum es sich lohnt, sich an Jesus Christus zu orientieren", wie beide Initiatoren betonen. "Erst verlieren wir unsere Werte, dann verlieren wir unseren Wohlstand", warnt Knoblauch. Er ermuntert seine Zuhörer, "die Klugheit des Evangeliums mit der Schlauheit der Welt zusammenzubringen".

Mischung aus Warenmesse und Kirchentag
Der Besucher trifft auf eine ganz spezifische Mischung aus Warenmesse und Kirchentag. Auf dem Weg zum zentralen Veranstaltungssaal begegnet er einer Leistungsschau kirchlicher Organisationen und kirchennaher Unternehmen. Zugleich setzen auf der Bühne Gebete und Sacropop immer wieder einen geistlichen Akzent. Ganz anders als bei den üblichen Kirchentagen dominieren jedoch Anzug und Kostüm statt Strickpullover und lila Halstuch. Eben ein Kirchentag der Bosse.

In dem Glaubensbekenntnis von Firmenchef Enrico Paul scheinen die evangelikalen Wurzeln des Kongresses durch. Doch die konfessionellen Ursprünge verlieren an Bedeutung. 30 Prozent Kongressteilnehmer stammen aus den Freikirchen und 60 Prozent aus einer evangelischen Landeskirche. Jeder zehnte ist katholisch; der Bund katholischer Unternehmer (BKU) und der Bundesverband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) wirken mit.

Huber: "Die Wirtschaft ist um der Menschen willen da"
Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, gibt dem Kongress die Ehre. Gerade Menschen in Führungspositionen müssten in Wertefragen Vorbilder sein, mahnt er. "Die Wirtschaft ist um der Menschen willen da", betont der Bischof. Dabei spricht Huber wohl die Kernfrage des Treffens an: die Umsetzung der Theorie in Praxis.

Scharf wendet er sich gegen die Freigabe der Ladenöffnung an den vier Adventssonntagen in Sachsen - für ihn ein abgründiges Zeichen der Verantwortungslosigkeit. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) dagegen verteidigt die Regelung. Sie nehme auf regionale Traditionen wie den Verkauf von Schnitzkunst im Erzgebirge Rücksicht, so der Landeschef. Und er sieht darin gar keinen Widerspruch zu seiner Lobrede auf die christlichen Werte.