domradio.de: Vor kurzem wurde der sogenannte Marshall-Plan für Afrika vorgestellt. Jetzt gibt es aktuell wieder eine Konferenz zu dem Kontinent. Ist Afrika nur wegen der drohenden Flüchtlingsmassen wichtig für die Regierung oder gibt es da noch mehr?
Dirk Bathe (World Vision): Das steckt natürlich als wichtiger Aspekt auch dahinter. Die drohende Migration von Millionen junger Afrikaner, die auf ihrem eigenen Kontinent keine Zukunftsperspektive sehen, beschäftigt natürlich die Bundesregierung. Und es ist auch verständlich, dass man nun beginnt ein Konzept zu entwickeln. Das ist aber nicht das einzige Interesse, das Deutschland und Europa am afrikanischen Kontinent haben. Es gibt auch klare wirtschaftliche Interessen. Der Markt in Afrika ist ein großer Absatzmarkt für deutsche Produkte und Afrika ist ein großer Rohstofflieferant.
Es gibt aber auch den humanitären solidarischen Ansatz in der deutschen Entwicklungspolitik, weil Deutschland nicht tatenlos zusehen kann, wenn in Afrika ständig Krisen und Kriege herrschen. Wir müssen den Menschen auch helfen.
domradio.de: In dem Marshall-Plan Entwicklungsminister Gerd Müller wird auch ein Ziel definiert: "Wertschöpfung vor Ort statt Ausbeutung"! Steckt tatsächlich eine deutsche Einsicht dahinter, dass Afrika ausgebeutet wird und dass sich das ändern muss?
Bathe: Es sind erst einmal nur hehre Worte. Man muss aber auch konkret faire Handelsbedingungen schaffen. Da hat sich die EU noch nicht positiv hervorgetan, mit warmen Worten ist es nicht getan. Und der Begriff Marshallplan weckt natürlich große Erwartungen. Das Volumen des Marshallplans der USA nach dem Weltkrieg entspricht einer heutigen Kaufkraft von 130 Milliarden Dollar. Wer will denn so viel Geld in die Hand nehmen? Das halte ich für illusorisch.
domradio.de: In vielen afrikanischen Ländern ist die Bundeswehr zur Friedenssicherung stationiert, gleichzeitig sollen mit deutscher Beteiligung die Ausbildung vor Ort und die wirtschaftliche Zusammenarbeit gefördert werden. Kann das alles zusammen denn funktionieren?
Bathe: Nein. Es hört sich toll an und es gibt einleuchtende Argumente für eine Zusammenarbeit, schon alleine durch die Logistik der Bundeswehr. Aber gerade in Krisengebieten reagieren Menschen auf Soldaten sehr empfindlich, denn sie verbinden mit Uniformen vor allem Gewalt und Übergriffe. Diese Verquickung von Militär und zivilem Interesse führt dazu, dass Mitarbeiter von Hilfsorganisationen nicht mehr den positiven Helferstatus haben. Heute ist das schon so, weil in immer mehr Ländern Soldaten stationiert sind. Das hat in Afghanistan schon nicht funktioniert und das wird auch in anderen Ländern nicht funktionieren.
Das Interview führte Hilde Regeniter.