Christliche Minderheit in Gaza sorgt sich um die Zukunft

Minorität in Not

Christen im Gazastreifen beklagen eine zunehmende Demoralisierung in ihren Gemeinden. Die Menschen hätten schwer unter der "internationalen Kollektivstrafe gegen die Palästinenser" zu leiden, sagte der katholische Pfarrer von Gaza, Manuel Musallam, der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) am Sonntag. Viele Lebensmittel wie Milchprodukte seien durch die weitgehende Sperrung der Grenzübergänge für den Warenverkehr knapp geworden. Das Angebot sei einseitig und vor allem für Heranwachsende unzureichend.

 (DR)

Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für die palästinensischen Flüchtlinge UNWRA hatte vergangene Woche zum wiederholten Mal vor einer humanitären Katastrophe im Gazastreifen gewarnt. Nach Angaben der israelischen Armee allerdings wurden seit Juni Zehntausende Tonnen von Nahrungsmitteln als Hilfsgüter in den Gazastreifen transportiert.

Der griechisch-orthodoxe Bischof von Gaza, Alexios, bezeichnete die grassierende Arbeitslosigkeit als größtes Problem der Menschen in Gaza. Der fehlende Rohstoff-Nachschub und die allgemeine Armut hätten die Wirtschaft komplett zum Erliegen gebracht.

Die christliche Minderheit in Gaza habe seit der gewaltsamen Machtübernahme durch die islamistische Hamas im Juni keine außerordentlichen Schwierigkeiten gehabt, betonten beide Kirchenführer. Er habe regelmäßige Treffen mit der Hamas-Führung, erklärte der katholische Pfarrer. Ministerpräsident Ismail Hanija selbst habe ihm bei persönlichen Begegnungen immer wieder den Schutz der christlichen Minderheit zugesichert.

Im Vergleich zu den Unruhen während des Bruderkriegs zwischen
Fatah- und Hamasanhängern sei die Lage für die Christen unter der Hamas-Führung sogar eher sicherer geworden, bestätigte Bischof Alexios. Allerdings wisse niemand, "wie es morgen aussehen wird".
Die Verunsicherung in der christlichen Minderheit sei groß.

Während der blutigen Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Palästinenserparteien war es auch zu Übergriffen auf christliche Buchhandlungen und einen katholischen Schwesternkonvent gekommen. Die Schäden in dem Konvent sind nach Angaben von Pfarrer Musallam auf Betreiben der Hamas-Führung wieder beseitigt worden.

Der von israelischen Medien in der vergangenen Woche berichtete Fall der Konversion einer christlichen Universitätsprofessorin zum Islam wird von den Kirchenvertretern zurückhaltend bewertet: Die Computer-Spezialistin Sana al-Sayegh war nach Angaben der Fatah von Hamas-Mitgliedern entführt und gezwungen worden, zum Islam überzutreten sowie einen muslimischen Kollegen zu heiraten.

Die Informationen zu dem Fall seien widersprüchlich, erklärte Bischof Alexios. Selbst die griechisch-orthodoxe Familie der Frau habe offenbar keine Klarheit darüber, ob die Konversion freiwillig oder unter Druck erfolgt sei. Der Fall werde "von beiden Seiten" politisch ausgeschlachtet.

Der Chefarzt der Caritas-Klinik in Gaza, Bandalay El-Sayegh, widersprach als Verwandter der Verschwundenen im Gespräch mit KNA dieser Einschätzung: Die Frau sei eine sehr gläubige Christin, meinte er: "Niemals hätte sie so etwas getan". Nach seiner Auffassung hat die Hamas an einem prominenten Mitglied einer bekannten christlichen Familie zeigen wollen, dass "man mit christlichen Frauen so etwas machen kann".

In Gaza leben nach kirchlichen Angaben rund 3.000 Christen, von denen etwa 2.800 dem griechisch-orthodoxen Ritus angehören. Nach der gewaltsamen Machtübernahme der radikalislamischen Hamas im Juni hatten viele von ihnen die Sorge vor Unterdrückung geäußert.

mit/cas