CIA-Sonderausschuss kritisiert Steinmeier im Fall Kurnaz

Lehnte Bundesregierung Freilassung von Kurnaz ab?

Im Fall des ehemaligen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz stützt das Europäische Parlament die Vorwürfe der Opposition gegen die frühere Bundesregierung. Im Abschlussbericht des CIA-Sonderausschuss wird festgestellt, dass die rot-grüne Bundesregierung nach "vertraulichen institutionellen Informationen" im Jahr 2002 ein Angebot der USA zur Freilassung von Kurnaz ausgeschlagen habe.

 (DR)

In dem Abschlussbericht des CIA-Sonderausschuss von Sozialdemokrat Claudio Fava, der mit 28 zu 17 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen wurde, blieb trotz der mehr als 500 Änderungsanträge die Passage unumstritten, die sich mit Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz beschäftigt. Damit sieht die Opposition den früheren Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) noch stärker unter Druck und verlangte eine rasche Aussage des Außenministers vor dem BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages.

Koalition warnt vor Vorverurteilung
Die Koalition reagierte indes gelassen auf den Brüsseler Bericht und warnte erneut vor Vorverurteilungen. SPD-Fraktionschef Peter Struck betonte, dieses Papier "könne man nicht so ganz ernst nehmen", weil es lediglich auf öffentlichen Presseberichten basiere. Auch blieben Zweifel, ob es überhaupt ein Freilassungsangebot der Amerikaner gegeben habe. "Nach dem, was ich weiß, hat es ein solches Angebot nicht gegeben", betonte Struck. Nach den Worten von SPD-Obmann Thomas Oppermann ging es bei den damals geführten Gesprächen "nur um Überlegungen auf geheimdienstlicher Arbeitsebene", Kurnaz als V-Mann einzusetzen.

"Das Angebot hat es gegeben"
Der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff, Mitglied im CIA-Ausschuss des Europaparlaments, widersprach energisch: "Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es 2002 dieses Angebot (zur Freilassung) gegeben hat. Ich habe auch persönlich Gespräche geführt mit Beamten auf amerikanischer Seite, die das wissen müssen", sagte er. Der FDP-Obmann im BND-Ausschuss des Bundestages, Max Stadler, forderte daher wie Grünen-Chef Reinhard Bütikofer eine rasche Aussage Steinmeiers.

Kurnaz war mehr als viereinhalb Jahre wegen eines nie bewiesenen Terrorverdachts auf Kuba interniert, bevor er im August vergangenen Jahres freigelassen wurde.
Der heute 24- jährige Moslem reiste im Oktober 2001 nach Pakistan. Wenige Wochen später wurde er festgenommen. Kurnaz wurde nach Kandahar in Afghanistan verschleppt und den Amerikanern übergeben. Diese sperrten ihn im Januar 2002 wegen des Verdachts der Unterstützung des Terrornetzwerkes El Kaida in Guantánamo ein.

Vor dem Bericht: Beck beklagt im Fall Kurnaz einseitige Darstellung
Die SPD beklagt die einseitige Darstellungen in dem Fall. Parteichef Kurt Beck warf der Union am Dienstag vor, sie wolle mit der Debatte um die Rolle von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in dem Fall von den Querelen in der CSU ablenken. Der SPD-Obmann im BND-Untersuchungsausschuss, Thomas Oppermann, sagte, da viele Akten geheim gehalten werden müssten, sei es ein großes Problem, die Situation vollständig zu erklären. Kurnaz' Anwalt Bernhard Docke warf dagegen der früheren Bundesregierung vor, den USA möglicherweise erst den Anlass für die Verschleppung seines Mandanten gegeben zu haben.

Beck hielt Opposition und Union vor, den Fall auf unredliche Art und Weise politisch auszuschlachten. Das, was bisher öffentlich diskutiert werde, sei eine einseitige Sicht der Dinge. Diese Sicht werde auch von den Mitgliedern des für die Aufklärung des Falles zuständigen Untersuchungsausschusses nicht gemeinschaftlich so bewertet. Er plädierte für eine baldige Befragung Steinmeiers im Untersuchungsausschuss. Er sei "sicher, dass diese Vorwürfe sich nicht halten lassen".

Keine Beweisdokumente
Oppermann sagte, einzelne Aktenauszüge würden selektiv weitergeben."Das erzeugt einen einseitigen Eindruck", beklagte er. Das gesamte Bild, das sich aus den Akten ergebe, sei der Öffentlichkeit im Augenblick nicht vermittelbar. So sei die gegenwärtige Darstellung eines Angebots der USA, den Türken aus Bremen im Herbst 2002 freizulassen, unzutreffend. "In den Akten haben wir jedenfalls kein Dokument, aus dem sich unmittelbar ergibt, dass die USA die Freilassung von Kurnaz konkret angeboten hätten", betonte Oppermann. Drei deutsche Vernehmungsbeamte hätten lediglich mit einem CIA-Verbindungsmann in Guantanamo die Möglichkeit diskutiert, Kurnaz in Deutschland als V-Mann in die islamistische Szene einzuschleusen und ihn dafür zu freizulassen.

Nach einem Bericht der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstagausgabe) hat die Bundesregierung im Jahr 2002 kein Angebot der US-Behörden zur Freilassung von Kurnaz aus Guantanamo erhalten. Das Blatt berichtete unter Berufung auf Geheimdienstkreise, es habe lediglich ein Gespräch eines BND-Mitarbeiters mit einem CIA-Angehörigen in den USA gegeben, aus dem der deutsche Beamte einen Vermerk für seine eigenen Interessen angefertigt habe. Regierungsstellen in den USA, nicht zuletzt das Verteidigungsministerium, hätten 2002 jede Freilassung von Kurnaz oder Abschiebung nach Deutschland abgelehnt.