DOMRADIO.DE: Sie beschäftigen sich seit frühester Jugend mit Comics. Was haben denn Sie als erstes gedacht, als Sie "Luce" gesehen haben?
Tillmann Courth (Kölner Comic-Spezialist): Das ist schon sehr putzig. Ich habe mich gefreut, dass sowas noch möglich ist. Der Zeichner hat gesagt, dass er sich selbst gewundert hat, dass er das die Kawaii-Ästhetik in den Vatikan schmuggeln konnte. Das meint diese Manga-Ästhetik: große Augen und süße Tierchen. Das ist doch mal eine Ansage. Ich finde es sehr lustig.
DOMRADIO.DE: "Luce" ist eine Manga-Figur, die ursprünglich aus Japan kommt. Ein Land, was mit dem Christentum nicht viel zu tun hat. Was macht Mangas so beliebt?
Courth: Das ist eine Marktüberlegung. Es ist erwiesen, dass Mangas vor allem bei Jugendlichen die verkaufsstärkste Comicgruppe sind. Darauf will offenbar der Vatikan einsteigen, um der Jugend ein Angebot in diese Richtung zu machen.
DOMRADIO.DE: Was eine kluge Idee ist, oder?
Courth: Es wird sich zeigen, ob "Luce" die richtige Idee ist. Denn die Figur ist schon sehr kindlich. Ich denke da eher an eine Zielgruppe der Grundschulkinder.
Vielleicht ist das was für den Taufunterricht. Indem man die Kinder in dieser Phase erwischt, ist "Luce" mit ihren Freundinnen und den Tierchen goldrichtig. Aber in weiterführenden Schulen, so ab zwölf Jahren, dann scheint mir das Angebot schon zu niedlich.
DOMRADIO.DE: Bei "Luce" kann man nicht erkennen, ob das weiblich oder männlich ist. Ist das ein Zeitgeist im Comic?
Courth: Das mag so gewollt sein. Das ist heute offener, diverser, fludier. Ich stell mir vor, "Luce" ist ein Mädchen, denn die Freundinnen drum herum bedienen andere Chiffren. Alle haben diesen Pilgerlook, den ich was befremdlich finde. Aber es soll wohl die beschwerliche Reise in den Glauben ausdrücken, denn sie tragen alle ein Kreuz um den Hals.
DOMRADIO.DE: Neben "Luce" gibt es noch drei weitere Figuren: einen Vogel, ein Engelchen und ein Hund. Welche dieser drei Charaktere finden Sie am gelungensten?
Courth: Das ist nicht meins, muss ich sagen. Aber als Ensemble ist es schon hübsch. Ich will da gar keinen herauspicken.
DOMRADIO.DE: Das ist das erste Mal, dass der Vatikan mit Maskottchen zu so einer Kunstform greift. Denken Sie, das war längst an der Zeit oder ist das eher befremdlich und das passt nicht?
Courth: Man wird sich vielleicht wundern, dass Kirche und Comics gar keine so abwegige Idee sind. Das gibt es schon sehr lange. Nach dem Krieg 1947 hat in den USA der Verlag "Entertaining Comics" erste Bibelcomics für junge Leser auf den Markt gebracht. Fünf Jahre späterer hatte der Verlag ironischerweise unter anderer Verlegerschaft die weltstärksten Horrorcomics veröffentlicht. Schon 1982 gab es einen ersten Comic über das Wirken von Johannes Paul II. und seitdem gibt es immer wieder Comics über Heilige und über Päpste. Es gibt sogar eine Action-Comic-Bibel. "Action" steht da nur, um Kinder anzulocken. Sonst gibt es zudem einen Manga-Messias und etliche Angebote für Comics in Bibelform.
DOMRADIO.DE: Es gab tatsächlich einen Manga-Messias?
Courth: Ja! Aber dieser ist nicht vom Vatikan beauftragt worden.
Womöglich nur als Hommage, ohne dass der Vatikan davon wusste.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie als Spezialist die Personen, die die "Luce"-Figur sowie ihre Freundinnen und Freunde entworfen hat, beraten können: Was hätten die Ihrer Meinung nach anders machen sollen?
Courth: Ich weiß nicht, wie eng die Abstimmung mit dem Vatikan war, aber die werden da sicher mitbestimmt und reingeredet haben. Ich finde es ein ganz gutes Angebot, wenn wir annehmen, dass es für kleinere Kinder ist. Ich finde nur den Pilger-Look ein bisschen drüber. Den hätte ich nicht gebraucht. Aber wahrscheinlich muss es ein Accessoire haben, dass es an den katholischen Glauben anbindet. Insofern schwierige Frage. Das liegt an den Absprachen zwischen Künstler und dem Verantwortlichen im Vatikan.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.