DOMRADIO.DE: Seit zwei Monaten läuft das Wartburg-Experiment, das von der Deutschen Bibelgesellschaft mit getragen wird. Wie ist der aktuelle Stand der Schreib-Klausur?
Michael Jahnke (Leiter der Kommunikationsabteilung der Deutschen Bibelgesellschaft): Die letzte der drei Autoren auf der Wartburg, Iris Wolff, hat gerade ihre Präsenzzeit. Die anderen beiden, Uwe Kolbe und Senthuran Varatharajah, haben ihre Residenzzeit beendet und sind voller Eindrücke nach Hause gefahren. Sie haben auch schon bei ersten Veranstaltungen dem Publikum und den Zuhörenden ein wenig aus dieser Residenzzeit nahegebracht.
DOMRADIO.DE: Von welchen Erlebnissen haben Uwe Kolb und Senthuran Varatharajah berichtet?
Jahnke: Beide haben berichtet, dass diese Verweildauer an diesem geschichtsträchten Ort ein sehr spannendes und bewegendes Erlebnis war. Uwe Kolbe beispielsweise hat gesagt: "Man wird hier sensibel im Umgang mit Wörtern, die vom Glauben handeln. Hier herrscht die Macht der Poesie, hier ist Gott gegenwärtig." Das sagt ja schon was aus über das, was mit den beiden Autoren dort auf der Wartburg passiert ist. Senthuran Varatharajah konnte sich gar nicht genug über den Himmel über der Wartburg auslassen. Er sagte: "Es ist so viel Himmel, so viel Masse an Himmel." Das hat ihn so bewegt, dass er gar nicht weiß, wie er damit umgehen soll.
DOMRADIO.DE: Am 14. November soll es eine erste Abschlussveranstaltung geben. Was wird da passieren?
Jahnke: Wir feiern einen Literatur-Gottesdienst in diesem Prachtsaal auf der Wartburg, dem sogenannten Palas. Iris Wolff, Senthuran Varatharajah und Uwe Kolbe beteiligen sich daran und gestalten mit. Senthuran Varatharajah wird eine Art Predigt halten, Uwe Kolbe wird einen selbst verfassten Psalm vortragen und Iris Wolff wird im Gespräch Auskunft darüber geben, wie es ihr auf der Wartburg ergeht.
DOMRADIO.DE: Das heißt, das Experiment wird dann aber noch nicht komplett abgeschlossen sein?
Jahnke: Richtig. Die Verweildauer von Iris Wolff geht noch bis zum 25. November. Danach geht es weiter mit der Veröffentlichung der Texte von den drei Autoren. Es wird ein paar kleine Folgeveranstaltungen geben, worüber wir uns sehr freuen. Das ist beispielsweise ein Wettbewerb für Jugendliche, eine Sprachwerkstatt für Nachwuchsautoren, die sich im Thüringer Themenjahr 2022 "Welt übersetzen" dann noch veranstalten lassen werden.
DOMRADIO.DE: Das heißt, es dauert noch ein bisschen, bis das Werk an sich fertig ist. Was ziehen Sie denn aber jetzt schon für eine Bilanz?
Jahnke: Von unserer Seite her eine sehr positive Bilanz. Es heißt ja nicht umsonst "Wartburg-Experiment". Man weiß ja nicht genau, worauf man sich einlässt. Wir haben nur wenige Vorgaben gemacht, aber für uns ist das voll gelungen. Das merken wir auch an den Rückmeldungen, die wir zu den beiden Veranstaltungen bekommen - Lesungen und Rundgespräch mit dem Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow.
Das ist schon sehr beeindruckend, was die Zuhörenden, die Zuschauenden, die Gäste bei einer solchen Veranstaltung dann später auch zurückmelden, was sie an Fragen haben. Man merkt, da steckt Leben drin, da steckt Vitalität drin. Es gelingt, ein altes Geschehen wieder zu aktualisieren. Das freut uns natürlich sehr.
DOMRADIO.DE: Am 10. November war Luthers Geburtstag. Warum ist gerade die Lutherbibel heute von so großer Bedeutung für uns?
Jahnke: Weil die Lutherbibel in einer Art und Weise, wie es kaum vergleichbar ist, die deutsche Kultur, die deutsche Sprache, das deutsche kirchliche Wesen, aber auch andere Aspekte kulturellen und gesellschaftlichen Lebens geprägt hat. Jeder von uns hat ja ein Lutherwort im Ohr, ob es "Der Herr ist mein Hirte", "mir wird nichts mangeln" oder die Passage auf der Weihnachtsgeschichte ist. Das ist schon ein großes Ding, was da entstanden ist. Und daran denken wir immer wieder gern und aus gutem Grund.
Das Interview führte Julia Reck.