Daniel Anrig gibt Führung der Schweizergarde ab

Abschied für den Oberst

Zum letzten Mal trägt Daniel Anrig heute die große Paradeuniform seiner Truppe. Mit einer Ehrenzeremonie im Vatikan wird der Kommandant der Schweizergarde aus dem Dienst entlassen. Über die Hintergründe der Abberufung des Familienvaters wird immer noch spekuliert.

Muss gehen: Daniel Anrig (KNA)
Muss gehen: Daniel Anrig / ( KNA )

Seinen Abschiedsbesuch bei Papst Franziskus hat Daniel Anrig bereits hinter sich. Was dabei an Freitag gesprochen wurde, ist unbekannt, würde aber viele interessieren. Denn nach Bekanntwerden seiner Entlassung Anfang Dezember schossen Spekulationen über die Gründe für die päpstliche Entscheidung ins Kraut.

Zu streng sei der 42-jährige Schweizer mit seinen Mannen gewesen, mutmaßte die italienische Presse, wobei die Quellen allerdings unklar blieben. Der Drill des früheren Polizeikommissars und studierten Juristen sowie die scharfen Dienstvorschriften sollen Unmut in der Truppe erzeugt haben - und beim Papst. Franziskus, der im Vorübergehen den Gardisten in den gestreiften Uniformen auch schon mal die Hand schüttelt, habe es zum Beispiel missfallen, dass die Männer während ihres stundenlangen Wachdienstes nicht einmal einen Schluck Wasser trinken dürften, wurde kolportiert.

Große Familie, große Wohnung

Für den Mann mit dem kernigen Gesicht ist das nicht nachvollziehbar. Wer den repräsentativen Dienst in der Öffentlichkeit nicht ohne Wasser durchstehen könne, "ist ganz einfach am falschen Ort", sagte Anrig jüngst der "Neuen Zürcher Zeitung". "Ich weiß, was es bedeutet, acht Stunden Dienst zu leisten. Ich habe es immer geschafft, auch längere Phasen vor dem Publikum ohne Wasser auszuhalten."

Auch das großzügige Appartement des Gardeobersten soll Franziskus geärgert haben, erfuhr die französische Nachrichtenagentur I.media aus vatikanischen Kreisen. Anrig hatte sich die Wohnung angeblich auf 380 Quadratmeter ausbauen lassen. Anrig ein "Protzgardist" mit Schleiferallüren?

Der Papst selbst jedoch gab dem scheidenden Kommandanten - zumindest nach außen - Rückendeckung. Schließlich habe Anrig vier Kinder, sagte Franziskus kurz nach der Entlassung in einem Presseinterview mit Blick auf die Großraumwohnung. Auch überzogene Strenge sei nicht der Grund für die Abberufung. Die sei ein ganz normaler Wechsel. Er habe Anrigs fünfjährige Dienstzeit, die kurz nach der Papstwahl endete, nur vorläufig verlängert. "Da gibt es nichts Merkwürdiges." Anrig lobte er als "exzellente Persönlichkeit" und "guten Katholiken".

Trotzdem gehen Beobachter davon aus, dass der Papst mit der Neubesetzung auch eine Grundsatzentscheidung über den inneren Charakter der traditionsreichen Schutztruppe treffen will. Auch mit Blick auf die Rivalität zwischen der Schweizergarde und der mit Italienern besetzten Vatikan-Gendarmerie. Offenbar hatte Anrig sich wiederholt über deren wachsenden Einfluss beschwert, etwa die Bewachung der päpstlichen Residenz, dem vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Der Schutz des Papstes ist die eigentliche Kernaufgabe der

1506 gegründeten Garde, während die Gendarmerie allgemeine Polizeidienste im Vatikanstaat erledigt. Mehr als unwahrscheinlich klingen indes Befürchtungen, Franziskus könnte sie demnächst sogar auflösen.

Rückt der zweite Mann nach?

Wer die 110 Mann starke Truppe künftig als ihr 35. Kommandant befehligt, dürfte feststehen. Es gilt jedoch als ungeschriebene Regel, dass der Name des Neuen erst nach der Verabschiedung des alten Chefs bekanntgegeben wird. Viel spricht für ihren Vizekommandanten Christoph Graf. "Graf ist ein langjähriger Gardist, ein sehr loyaler Mensch mit einem guten Gespür für das, was die Gardisten brauchen", urteilte am Donnerstag Anrigs Vorgänger Elmar Mäder gegenüber der Schweizer Nachrichtenagentur kath.ch.

Formell entscheidet zwar der Papst über die Besetzung, doch die Würfel fallen im Staatssekretariat. Eine öffentliche Ausschreibung für den Posten gibt es nicht. Interessenten können beim Nuntius in Bern oder direkt in Rom vorstellig werden, aber auch die Schweizer Bischofskonferenz kann Anregungen geben.

Mit der Garde verlasse er seine emotionale Heimat, bekannte Anrig im Interview. Nun zieht er zurück in die Schweiz. Dort werde er sich neuen Herausforderungen stellen.


Quelle:
KNA