Darum sind die Jesuiten heute Feinde des Ortega-Regimes

"Nicaragua ist kein Rechtsstaat mehr"

Die von den Jesuiten betriebenen Zentralamerikanischen Universität in Managua wurde beschlagnahmt. Jetzt kritisiert ihr Sprecher das linksgerichtete Regime Nicaraguas. Einst hatte der Orden die sandinistische Revolution unterstützt.

Autor/in:
Tobias Käufer
Polizisten in Nicaragua / © Jeiner Huete_P (shutterstock)
Polizisten in Nicaragua / © Jeiner Huete_P ( shutterstock )

Fast täglich treffen Solidaritätsadressen ein: aus Peru, der Dominikanischen Republik, aus Panama. Doch an der Sachlage ändern auch die aufmunternden Worte aus den Reihen der lateinamerikanischen Kirche nichts.

Das sandinistische Regime von Präsident Daniel Ortega und seiner Frau und Stellvertreterin Rosario Murillo setzt seinen Kreuzzug gegen die katholische Kirche in Nicaragua fort.

Jüngstes Opfer: Die bislang von den Jesuiten betriebene und über die Landesgrenzen hinaus anerkannte Zentralamerikanische Universität (UCA) in der Hauptstadt Managua.

Jesuiten-Universtität als "Zentrum des Terrorismus"

Innerhalb weniger Tage wurde die Universität erst geschlossen, dann von staatlichen Stellen übernommen und das Vermögen konfisziert. Die Uni sei ein "Zentrum des Terrorismus" gewesen, lautete die Begründung.

Daniel Ortega, Präsident von Nicaragua, und Vizepräsidentin Rosario Murillo / © Xin Yuewei/XinHua (dpa)
Daniel Ortega, Präsident von Nicaragua, und Vizepräsidentin Rosario Murillo / © Xin Yuewei/XinHua ( dpa )

Tatsächlich hatten sich auch von hier aus Studentenproteste ausgebreitet. Erst gegen die massive Umweltzerstörung durch Brandrodung, dann gegen die staatliche Repression durch Polizeiknüppel und Pistolenkugeln.

In einem Interview mit dem Portal "Infobae" fasste Jose Maria Tojeira, Sprecher der zentralamerikanischen Jesuiten, die Stimmungslage so zusammen: "Solange wir irgendwie weiterarbeiten können, werden wir weiterarbeiten. Was wir hier haben, ist absolute Willkür und Missachtung des Gesetzes. Für mich gibt es in Nicaragua keinen Rechtsstaat, sondern nur den Willen der Machthaber."

Situation hat sich laut Jesuiten-Sprecher völlig verändert

Die Situation habe sich im Vergleich zu den 80er Jahren völlig verändert, als die Jesuiten die damalige sandinistische Revolution unterstützten. Damals sei es eine ganz andere Regierung gewesen, so Tojeira.

"Damals war von Demokratie die Rede. Als sie die Wahlen verloren, übergaben sie die Macht an andere. Es gab interessante Projekte zur Agrarreform und auch zur Alphabetisierung."

Bischof Alvarez in Nicaragua zu 26 Jahren Haft verurteilt

Mit einem drakonischen Urteil will das sandinistische Regime in Nicaragua ein Exempel statuieren, um kritische Stimmen im Land einzuschüchtern: Der Bischof von Matagalpa muss für mehr als 26 Jahre ins Gefängnis. "Ich will keinen neuen Märtyrer-Bischof in Lateinamerika": Mit diesen Worten beorderte Papst Franziskus Managuas Weihbischof Silvio Baez schon vor einigen Jahren ins Exil. Nur widerwillig und "im Geiste des Gehorsams" verließ der prominente Kritiker des sandinistischen Regimes Ende April 2019 seine Heimat Nicaragua.

Schattenumriss Gefängnis / © Felix Kästle (dpa)
Schattenumriss Gefängnis / © Felix Kästle ( dpa )

Pater Fernando Cardenal, ein Jesuit, leitete damals Alphabetisierungskampagnen, mit denen die Analphabetenrate von 50 Prozent auf 13 Prozent gesenkt worden sei, betont Tojeira.

Jesuiten-Enteignung war keine große Überraschung

Viele Projekte seien auf das Gemeinwohl ausgerichtet gewesen. "Aber heute finden wir nichts Vergleichbares mehr." Ganz überraschend sei für die Jesuiten die Entwicklung in Nicaragua nicht gekommen.

"Wir wussten, dass etwas passieren könnte, weil wir gesehen hatten, was mit Bischof Rolando Alvarez geschehen ist, was mit einigen Medien geschehen ist, die beschlagnahmt wurden und deren Journalisten praktisch verbannt wurden, und was mit der Opposition passiert ist", sagte Tojeira.

Bischof Alvarez sitzt weiter in Haft. Inzwischen treibt eine Initiative von zwangsausgebürgerten Oppositionspolitikern und Menschenrechtlern eine Initiative voran, die dafür werben soll, Alvarez für den Sacharow-Preis vorzuschlagen.

Bischof Alvarez kämpfte für Demokratie

Die Auszeichnung wird seit 1988 vom EU-Parlament an Menschen oder Organisationen verliehen, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit einsetzen.

Alvarez war im Februar wegen "Rebellion" und Aufstachelung zum Widerstand zu 26 Jahren Haft verurteilt worden.

Er hatte sich für die Rechte der demonstrierenden Studenten und Oppositionellen eingesetzt und über Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua berichtet.

Ortega-Regime schlug Demonstrationen brutal nieder

Die Krise in Nicaragua begann im Jahr 2018, als Studierende zunächst gegen eine mutmaßlich von der linksregierten Regierung geduldete oder gar veranlasste Brandrodung in einem Naturschutzgebiet auf die Straße gingen.

Polizei in Nicaragua / © Jeiner Huete_P (shutterstock)

Schnell weiteten sich die Proteste landesweit aus. Das Ortega-Regime schlug die Demonstrationen mit brutaler Gewalt nieder, Pfarrer und Bischöfe öffneten ihre Kirchen, damit die Demonstrierenden Schutz vor den Polizeikugeln finden konnten.

Internationale Sorge um Kirche in Nicaragua

Betroffene wie der in die USA ausgebürgerte Präsidentschaftskandidat Felix Maradiaga sehen das Vorgehen der Machthaber gegen die Kirche mit Sorge.

Ortegas Ziel sei es, die "Stimme und sogar die Präsenz der Institution Kirche zum Schweigen zu bringen und vollständig auszulöschen, die aufgrund ihres moralischen Gewichts in Nicaragua ein Hindernis für die Pläne der Familie Ortega Murillo bildet, eine dynastische Diktatur zu festigen", sagte Maradiaga jüngst der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Nicaragua kappt diplomatische Beziehungen mit Vatikan

Nicaragua hat wohl die diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl gekappt. Grund ist ein Interview des Papstes, in dem er das Regime mit ehemaligen kommunistischen Diktaturen und dem Nationalsozialismus verglichen hatte. Das berichtet die Zeitung "La Presa" aus Managua unter Berufung auf diplomatische Kreise in Rom.

Fahne Nicaraguas / © BUTENKOV ALEKSEI (shutterstock)
Quelle:
KNA