Das Erzbistum Köln geht offensiv mit Fällen sexuellen Missbrauchs um

"Dem Thema stellen"

Die Deutsche Bischofskonferenz hat vor acht Jahren Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch herausgegeben. Msgr. Stefan Heße ist Leiter der Hauptabteilung Seelsorge im Erzbistum Köln. Im domradio-Interview erläutert er, wie diese Leitlinien hier umgesetzt wurden.

 (DR)

domradio: Wenn sich ein solcher Verdacht erhärtet, wer ist dann hier im Erzbistum Köln zuständig und wie ist die Vorgehensweise?
Heße: Bevor sich der Verdacht überhaupt erhärten kann, muss er erstmal an uns herangetragen werden. Dann ist Prälat Prof. Dr. Trippen der sogenannte Erstansprechpartner in unserem Erzbistum. Der ist öffentlich bekannt gemacht, so dass jeder der mit diesem Thema konfrontiert ist, gehalten ist, sich direkt an ihn zu wenden.

domradio: Wenn ein Opfer ausgerechnet mit einem Priester, in dem Fall Prälat Trippen, über den Missbrauch sprechen soll, macht das denn Sinn?
Heße: Wir haben ganz bewusst erstmal eine Ansprechpartner-Position besetzt, und das hat sich in den letzten Jahren auch bewährt, weil Prälat Trippen jemand ist, der durch seine universitäre Aufgabe und auch durch seine frühere Tätigkeit als Regens des Priesterseminars natürlich viele Seelsorger kennt.

Er ist mit der Materie vertraut ist, hat aber dann durchaus die Möglichkeit weiter zu vermitteln, so dass wir dann sowohl männliche wie weibliche Ansprechpartner vermitteln können. Man muss genau schauen, was braucht welches vermeintliche Opfer, was hilft hier weiter, bei wem kann man sich am besten aussprechen.

domradio: Was bedeutet eine Prüfung eines Vorwurfs sexuellen Missbrauchs?
Heße: Prälat Trippen nimmt das entgegen, das ist der allererste Schritt der Prüfung. Dann muss geschaut werden, um was handelt es sich überhaupt, wer ist betroffen und dann spalten sich die Wege. Denn wenn es sich dann um Geistliche oder Seelsorger, also auch Pastoral-Gemeindereferenten handelt, dann bin ich als Leiter der Hauptabteilung Seelsorge-Personal zuständig und werde eingeschaltet. Wenn es sich um andere Betroffene handelt, nehmen wir jetzt mal Laienpersonal, also z.B. Küster, dann wäre nicht ich zuständig sondern mein Kollege aus der Verwaltung.

domradio: Gibt es denn eine Zahl, wie viele Opfer sich, zum Beispiel im Erzbistum Köln, inzwischen gemeldet haben?
Heße: Wir haben keine Zahl, die ich Ihnen jetzt so nennen könnte weil man die Fälle sehr differenziert betrachten muss. Was bei Prof. Trippen anläuft ist das eine, die Frage der Prüfung ist ein nächster Schritt. Direkt strafrechtlich verfolgte Fälle haben wir so gut wie keine, jedenfalls im Bereich des pastoralen Personals. Das bewegt sich bei uns im Bistum im ganz kleinen Bereich, ich bin dafür sehr dankbar, aber ich gebe auch zu: Jeder einzelne Fall ist einer zuviel.

domradio: Sexueller Missbrauch Minderjähriger ist nicht nur nach staatlichem Recht, sondern auch in der kirchlichen Rechtsordnung eine Straftat, wie ordnet die deutsche Bischofskonferenz Missbrauch im Bezug auf die christliche Botschaft ein, oder wie würden Sie das einordnen?
Heße: Also das ist ein ganz eindeutiges Vergehen und ich glaube Sie haben auch wahrgenommen, dass diese Leitlinien der Bischofskonferenz nicht nur das Ganze als Straftat im öffentlichen Sinne sehen, sondern auch als eine kirchenrechtliche Straftat. Es wird ja da auch bewusst verwiesen auf den Kodex des kirchlichen Rechtes, es werden Verfahrensschritte aufgezeigt und im Extremfall, wenn sich Dinge erhärten und bewahrheiten sollten, könnte die Strafe der Entlassung aus dem Klerikerstand für einen Priester oder Diakon stehen. Das habe ich Gott sei Dank jetzt in diesem Extremfall noch nie erleben müssen, aber davor schreckt die Kirche keineswegs zurück.

domradio: Geben denn die Jesuiten derzeit ein Vorbild wie man in Zukunft damit umgehen muss? Also, wie sieht es aus mit der Information der Öffentlichkeit?
Heße: Was ich so in den Medien wahrnehme, gehen die Jesuiten sehr offensiv damit um, und ich kann eigentlich nur dazu anraten, es genau so zu tun. Wir haben vor ein paar Jahren einen ähnlichen Fall hier in der Diözese gehabt, da sind wir auch ganz offensiv rangegangen, haben offensiv die Gemeinde informiert, sind mit der Presse offensiv umgegangen, weil man diese Themen nicht unter den Tisch kehren kann und darf. Damit wäre keinem gedient, und deswegen ist dieser offensive Zugang so wichtig der sich dann eben äußert in dem konkreten Zugehen auf die Öffentlichkeit.

Aber das setzt ja voraus, dass auch die Kirche selbst offensiv sich dem Thema stellt. Das heißt, wir können das auch nicht irgendwo im Schreibtisch in die letzte Schublade abschieben, das wäre vollkommen falsch, sondern wir müssen uns dem Thema stellen, wir müssen wahrnehmen, dass es das gibt, Gott sei Dank in kleinen Zahlen. Aber das gibt es, und wir müssen uns dann der Verfolgung stellen, wir müssen uns aber auch den Opfern widmen. Also es ist ja nicht nur mit einer strafrechtlichen Verfolgung gedient, sondern wir wollen ja auch letztlich den Menschen helfen um die es da geht. Und dazu bieten wir dann entsprechende Maßnahmen an, die im Einzelfall vermittelt werden.

domradio: Auch therapeutische Begleitung?
Heße: Zum Beispiel, ja natürlich, das ist ja das Allerwichtigste, dann jemandem zu helfen. Wer Ahnung von der Materie hat, der weiß, dass da ganz verschiedene Richtungen der Therapie zu verfolgen sind, verschiedenste Maßnahmen, die zusammen kommen müssen, damit möglichst gut geholfen werden kann. Aber nach meinen Erfahrungen ist das eh ein langer Prozess. Das können sie nicht von jetzt bis nachher machen.

domradio: Welche Erfahrungen fließen ein in die Aus- und Fortbildung von Geistlichen?
Heße: Wir haben z.B. in der Ausbildung unserer zukünftigen Priester, aber auch der Laien-Theologen, einen festen Baustein, der im Priesterseminar aber auch in der Ausbildung der Laien-Theologen bei uns in der Abteilung eingebaut ist. Dort wird das Thema angesprochen und fachkundig informiert. Ich bringe das Thema immer wieder in manche Konferenzen ein, um solide zu informieren und vor allen Dingen auch diese Offenheit zu wecken, dass also da keiner etwas unter den Tisch kehrt, sondern dass er keine Angst hat, sich dem Ganzen offensiv zu widmen und dann eben die Wege zu gehen, die zu beschreiten sind.