Vor 225 Jahren wurde Reformtheologe Johann Adam Möhler geboren

Das frühe Christentum als Maßstab

Der Reformtheologe Johann Adam Möhler hat schon vor rund 200 Jahren das Prinzip Einheit in Vielfalt für die Kirche und die Zukunft der Ökumene vertreten. Ein Blick auf das Wirken und die Hinterlassenschaft des Tübinger Theologen.

Autor/in:
Anselm Verbeek
Johann Adam Möhler: Seine Werke, die er in Tübingen schrieb (KNA)
Johann Adam Möhler: Seine Werke, die er in Tübingen schrieb / ( KNA )

Arm war die Kirche geworden. Napoleon hatte den feudalen Episkopat hinweggefegt, den Besitz verweltlicht. Kalter Vernunftkult ließ spirituelles Leben erstarren.

In dieser Gemengelage versuchte der Tübinger Theologe Johann Adam Möhler, neue religiöse Identität zu stiften: Das Christusereignis sei kein Mythos, sondern ein historischer Fakt. Und der Mensch gewordene Gottessohn lebe fort in der vom Heiligen Geist durchwirkten Tradition der Kirche.

Johann Adam Möhler wurde am 6. Mai 1796 geboren, in Igersheim an der Tauber. Seinen geistlichen Berufswunsch musste er gegen den Vater durchsetzen; der wohlhabende Gastwirt hätte den Sohn lieber am Tresen gesehen.

Der junge Priester zeigte hervorragende Leistungen im Studium, so dass ihn der württembergische Kultminister 1822 zum Dozenten für katholische Kirchengeschichte an der Universität Tübingen berief.

Kontakte zu evangelischen Kollegen knüpfen

Der Minister trug, besorgt um den konfessionellen Frieden, Möhler auf, vor Beginn seiner Lehrtätigkeit eine "literarische Reise" zu unternehmen. Der Dozent besuchte 14 Universitäten im Bereich des Deutschen Bundes von Berlin über Prag bis Wien, um Kontakte zu evangelischen Kollegen wie dem berühmten Friedrich Schleiermacher zu knüpfen und deren Methoden kennenzulernen.

Möhler war beeindruckt. Der Berliner Kirchenhistoriker August Neander hatte seine Aufmerksamkeit auf das frühe Christentum, seinen glühenden und bekenntnisstarken Glauben gelenkt. Die Welt der Kirchenväter wurde Gegenstand seiner Forschungen. Aber er empfing auch Impulse aus seiner Zeit wie die organische Entwicklungsidee der Romantik.

Die Tübinger theologische Schule, allen voran Möhler, hat das historische Verständnis für die Auslegung der Bibel geweckt. 1825 veröffentlichte Möhler seinen Erstling "Die Einheit in der Kirche".

Ein Buch als Offenbarung

Das Buch galt vielen als Offenbarung: Möhler habe unter Schutt und Wildwuchs das ursprüngliche Bild eines lebendigen Christentums entdeckt. Das frühe Christentum mit seiner "Fülle des Anfangs" ist ihm Richtschnur für die zweitausendjährige Entwicklung des Christentums. Aber erst der historische Rückblick lasse stets neu erkennen, welcher Sinn in der Offenbarung verborgen liegt, so Möhler.

Möhler warb für die gefährdete Gemeinschaft in der Kirche. Die Freiheit war für ihn grundlegend. Wie die moderne Ökumene propagierte er als Leitidee die Einheit in Vielfalt: "Wenn das katholische Prinzip alle Glaubenden zu einer Einheit verbindet, so darf die Individualität des einzelnen nicht aufgehoben werden", betonte er in seinem Erstlingswerk.

Das katholische Prinzip solle Gegensätze aushalten können: in Ritus oder Liturgie, in Theologie oder Volksfrömmigkeit - wie die frühe Kirche vor der konstantinischen Wende.

Das Hauptwerk Möhlers ist seine "Symbolik" (1832). Anhand der Bekenntnisschriften, auch symbolische Bücher genannt, vergleicht er hier Katholizismus und Protestantismus. Die konfessionellen Gegensätze würden auf die Spitze getrieben, um die Möglichkeit zur Überwindung der Lehrdifferenzen in dialektischer Synthese zu bieten.

Aber zunächst heizte die "Symbolik", die bis zu Möhlers frühem Todesjahr 1838 allein fünf Auflagen erlebte, die konfessionelle Spannung an.

Reformtheologe war eine vielschichtige Persönlichkeit

Der Reformtheologe war eine vielschichtige Persönlichkeit, mit einem feinen Gespür für den Zeitgeist. Der Theologe setzte sich für emanzipatorischen Fortschritt ein wie Aufhebung der Sklaverei.

Selbstbewusst konnte sich Möhler gegen Autoritäten wie Voltaire oder Goethe wenden, die Mohammed als "Betrüger" verunglimpft hatten. Der koranfeste Theologe entwarf ein insgesamt wohlwollendes Islambild.

Eigentlich ein Gelehrtentyp der leisen Töne, hatte Möhler wenige Monate vor seinem frühen Tod am 12. April 1838 noch einmal im öffentlichen Meinungskampf die Kriegstrompete angestimmt.

Er protestierte "gegen die Bekämpfung der katholischen Kirche", als der preußische König den Kölner Erzbischof in Festungshaft setzte, weil dieser im Streit um die Einsegnung konfessionell gemischter Ehen den Direktiven aus Berlin nicht folgte. Zuletzt warb Möhler für "Einigung und Einheit" der Christen auf Augenhöhe - sein Vermächtnis bis heute.


Quelle:
KNA