Das Gebetsanliegen des Papstes für November

Der Esel als Kirchenlehrer

Im November betet Papst Franziksus er "für die Priester in ihren Herausforderungen und Schwierigkeiten, sie mögen Licht und Kraft in ihrer Situation erfahren".

Autor/in:
Bertram Meier
Papst Franziskus (dpa)
Papst Franziskus / ( dpa )

Papst Franziskus ist ein Meister der Gesten und wagt mitunter kühne Worte. Er bevorzugt bescheidene Autos und erinnert daran, dass er sich bei seiner Namenswahl vom Rat eines befreundeten Kardinals hat inspirieren lassen: "Vergiss die Armen nicht!" Diese Option für die Armen schreibt er den Priestern - und nicht nur ihnen - ins Stammbuch.

Gerade dieser Blick auf die Armen ist eine echte Herausforderung. Hier kommt der Esel in den Blick: Stand er an der Krippe noch neben dem Ochsen im Schatten, so kommt ihm vor der Passion eine Hauptrolle zu. Alleine durch seine Anwesenheit «spricht» der Esel eine Predigt, die Jesus mit noch so geschliffenen Worten wohl nicht besser hätte gelingen können.

Denn der Esel macht auf einen grundlegenden Unterschied aufmerksam, der zwischen dem Einzug Jesu und anderen Empfängen in Jerusalem bestand. Die Straßen der Stadt hatten schon viele gesehen, die auf ihnen Einzug hielten. Schon vor Jesus sind Machthaber und Könige im Triumph eingeritten. Doch die Ankunft Jesu hat etwas Besonderes an sich: Auch Jesus kommt als König - nicht zu Fuß, sondern er reitet. Sein Weg ist umsäumt von Menschen, die ihm zujubeln und ihn mit dem höchsten Ehrentitel willkommen heißen: "Hosanna dem Sohne Davids, der kommt im Namen des Herrn".

Doch Jesus kommt nicht hoch zu Ross, sondern dem Boden näher auf dem Rücken eines Esels. Damit möchte er ausdrücken, wo er steht: auf der Seite der Armen und Kleinen. Weder dem edlen Lipizzaner noch dem stolzen Schlachtross, sondern dem gewöhnlichen Esel, dem Lasttier der Armen, kommt die hohe Ehre zu, den Friedenskönig in die Heilige Stadt zu tragen. Ein militärisch wertloses Tier bringt Christus ins Zentrum der politischen und religiösen Macht. Es ist der graue, gedrungene, vielleicht etwas schwerfällige Esel, der Jesu Lebensentscheidung publik macht, die bis heute der Kirche gilt: Stell dich auf die Seite der Armen.

Im Philipperhymnus erklingt das Grundgesetz der Erlösung als Lied: Jesus Christus «war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen. Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz" (Phil 2, 6-8). Jesus hat den Esel in seinen Dienst genommen als Botschafter der Erlösung und des Friedens. Wer sich auf einen Esel setzt, steigt eigentlich nicht auf, sondern ab. So hat gerade der Esel es Jesus möglich gemacht, allen alles zu werden, König und Knecht zugleich zu sein, zu reiten und dem Boden nahe zu bleiben. Der Esel predigt Bodennähe, weil er den Reiter dem Erdboden nahe sein lässt. Und wer nahe am «humus» lebt, ist ein Lehrer der "humilitas".

Auf diese Weise stellt uns Jesus den Esel gleichsam als "Kirchenlehrer" vor. Die Kirche - gerade die Priester und alle, die es werden wollen - dürfen beim Esel in die Schule gehen. Wir glauben oft, Pastoral und Caritas müssten säuberlich voneinander getrennt werden. Für die Pastoral entwerfen wir ausgefeilte Pläne und Langzeitstrategien, für die Diakonie oder Caritas gibt es eigene Verbände. Ergebnis: Pastoral und Caritas sind perfekt durchorganisiert, aber auch voneinander geschieden – Seelsorgeamt hier, Caritasverwaltung dort. Doch wer so denkt und handelt, läuft einem Missverständnis auf.

Der moralische Zeigefinger ist hier fehl am Platz. In diesem Zusammenhang sei an einen Priester der Gesellschaft Jesu erinnert, Pater Alfred Delp. Er fasste bereits 1944/45 seine Gedanken so zusammen, wie sie heute treffender nicht gesagt werden könnten: "Das Schicksal der Kirchen wird in der kommenden Zeit nicht von dem abhängen, was ihre Prälaten und führenden Instanzen an Klugheit, Gescheitheit, 'politischen Fähigkeiten' usw. aufbringen. Auch nicht von den 'Positionen', die sich Menschen aus ihrer Mitte erringen konnten. Das alles ist überholt. (...) Stattdessen geht es um die Rückkehr der Kirchen in die 'Diakonie': in den Dienst der Menschheit. Es wird kein Mensch an die Botschaft vom Heil und vom Heiland glauben, solange wir uns nicht blutig geschunden haben im Dienste des physisch, psychisch, sozial, wirtschaftlich, sittlich oder sonstwie kranken Menschen. (...) Es hat keinen Sinn, mit einer Predigt- und Religionserlaubnis, mit einer Pfarrer- und Prälatenbesoldung zufrieden die Menschheit ihrem Schicksal zu überlassen. Damit meine ich die geistige Begegnung als echten Dialog, nicht als monologische Ansprache und monotone Quengelei". Die Worte von Alfred Delp sprechen für sich. Sie sind sicher im Sinne von Papst Franziskus, seinem Ordensbruder in der Gesellschaft Jesu.


Quelle:
KNA