Dass die sogenannte Vatikanbank IOR einen Jahresbericht veröffentlicht, wäre vor einiger Zeit so wahrscheinlich erschienen, wie ein Papst, der im Gästehaus wohnt. An diesem Dienstag ist es nun soweit: Erstmals in seiner rund siebzigjährigen Geschichte legt das skandalträchtige Finanzinstitut mit dem offiziellen Namen "Istituto per le Opere di Religione" zu Deutsch "Institut für die religiösen Werke" Rechenschaft über seine Tätigkeit ab. Nach Jahrzehnten der Abschottung, Geheimniskrämerei und dubioser Machenschaften will der neue IOR-Aufsichtsratsvorsitzende, der im Februar noch von Benedikt XVI. berufene Deutsche Ernst von Freyberg, größtmögliche Transparenz schaffen. Seit acht Uhr an ist der mehrere hundert Seiten umfassende Jahresbericht auf der IOR-Internetseite öffentlich einsehbar.
86,6 Millionen Euro Gewinn
Nach dem am Dienstag auf der Internetseite des "Istituto per le opere di Religione" (Institut für die religiösen Werke) publizierten Bericht hat das IOR im Jahr 2012 einen Gewinn von 86,6 Millionen Euro erwirtschaftet. Das Finanzinstitut verwaltet Kundeinlagen in Höhe von 6,3 Milliarden Euro und investiert hauptsächlich in festverzinsliche Wertpapiere und Staatsanleihen europäischer Länder. Mit rund 50 Prozent bilden Ordensgemeinschaften die größte Kundengruppe, es folgen Einrichtungen und Botschaften des Heiligen Stuhls mit rund 15 Prozent, sowie Kardinäle, Bischöfe und weitere Geistliche mit 13 Prozent. Das IOR war wegen angeblicher schwarzer Konten und Geldwäsche immer wieder in die Schlagzeilen geraten.
Jede einzelne Position erklärt
Die über eine Milliarden Katholiken in der Welt hätten ein Recht darauf zu wissen, "was das "Institut für die religiösen Werke" macht und wie es die Kirche in der Welt unterstützt", sagte der IOR-Aufsichtsratsvorsitzende Ernst von Freyberg am Dienstag in einem Interview mit Radio Vatikan. In dem Bericht werde jede einzelne Position der Bilanz erklärt, um Verschwörungstheorien aus der Welt zu schaffen, so der deutsche Manager. Von Freyberg wies darauf hin, dass das Finanzinstitut seit vielen Jahren von renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften kontrolliert werde. Die Ergebnisse seien bislang jedoch nie veröffentlicht worden.
Ende 2010 hatte Benedikt XVI. im Vatikan internationale Standards für die Transparenz von Geldgeschäften eingeführt. Kurz vor seinem Rücktritt im Februar berief er von Freyberg, Aufsichtsratsvorsitzenden der Werft Blom & Voss, an die Spitze des IOR.
Geldwäsche für Bekannte und Freunde
Zuletzt hatte der Fall des Monsignore Nunzio Scarano das IOR erneut in einem ungünstigen Licht erscheinen lassen. Der frühere Oberbuchhalter der päpstlichen Güterverwaltung Apsa soll sein Konto beim IOR genutzt haben, um für Bekannte und Freunde Geld zu waschen.
Der frühere Generaldirektor des IOR, Paolo Cipriani, sowie dessen Stellvertreter hatten ihm offenbar einen Persilschein ausgestellt. Nach Bekanntwerden des Falls im Juni mussten beide ihren Hut nehmen.
Zahl der Verdächtigen nicht bekannt
Damit künftig niemand ungestört Geld auf einem IOR-Konto waschen kann, durchforsten rund zwei Dutzend Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Promontory die 18.900 Einträge zählende Kundenkartei des IOR. Im Fall Scarano war die italienische Staatsanwaltschaft allerdings schneller als die Kontrolleure. Scarano war von Promontory zwar in die Gruppe der besonders "riskanten" Kunden eingeordnet worden, die von Mitte Mai an zuerst geprüft wurden. Bis zum Buchstaben "S" war man allerdings noch nicht gelangt, als die italienische Presse von dem Fall Wind bekam. Wenig später legten die Wirtschaftsprüfer der vatikanischen Finanzaufsichtsbehörde AIF einen 90 Seiten langen Bericht vor, der alle finanziellen Transaktionen Scaranos in den vergangenen zehn Jahren auflistete - mit einem Gesamtvolumen von sieben Millionen Euro. Daraufhin nahm auch die vatikanische Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Auf wie viele verdächtige Konten die Promontory-Leute bislang gestoßen sind, bleibt vertraulich.
800 Millionen Euro Eigenkapitalquote
Gemessen an der medialen Aufmerksamkeit ist das IOR ein "Global Player". Gemessen an der Höhe der verwalteten Einlagen von 6,3 Milliarden Euro bewegt es sich auf dem Niveau einer größeren deutschen Kreissparkasse. Seine Eigenkapitalquote liegt jedoch mit 15 Prozent - 800 Millionen Euro - deutlich über der großer Geschäftsbanken und auch manche kleinere Privatbank hat weniger Eigenkapital. 7,3 Prozent seiner Kunden sind vatikanische Einrichtungen. Die größte Kundengruppe bilden jedoch katholische Frauenorden. Angelegt wird das Geld vornehmlich in Staatsanleihen europäischer Staaten.
Braucht der Vatikan eine Bank?
Den Begriff "Bank" hört man im IOR nach wie vor nicht gern. Von Freyberg selbst zieht die Bezeichnung "Vermögensverwalter" vor. Der Aufsichtsratsvorsitzende kann darauf verweisen, dass das IOR im formalen Sinne keine Bank ist, weil es einige bankenspezifische Dienstleistungen nicht oder nur ein beschränkter Form anbietet. So vergibt es etwa aus Einlagen keine Kredite. Allerdings meldeten sich zuletzt selbst Kardinäle zu Wort, denen das zu spitzfindig vorkam, etwa Oscar Andres Rodriguez Maradiaga, der Koordinator der Arbeitsgruppe für die Kurienreform. Manch ein Kardinal ging noch weiter und fragte öffentlich oder hinter vorgehaltener Hand, wozu denn der Vatikan überhaupt eine Bank brauche.
Das letzte Wort hat der Papst
Das letzte Wort über das IOR hat jedoch der Papst. Franziskus selbst bekannte Ende Juli, dass er sich noch kein abschließendes Urteil über die Zukunft des Finanzinstituts gebildet habe. Einige rieten ihm, das IOR in derzeitiger Form beizubehalten, andere zur Umwandlung in einen Sozialfonds und wieder andere zur gänzlichen Schließung, so Franziskus. Er kündigte an, dass er vor allem auf die IOR-Mitarbeiter und die von ihm eingesetzte Kommission zur Berichterstattung über das IOR hören wolle. Deren Bericht steht noch aus.