Franziskanische Generaloberin zur Rolle von Frauen in der Kirche

"Das ist eine Lebenswunde"

Frauen mit Leitungspositionen in Bistümern sind eine relativ neue Erscheinung. In Orden leiten Frauen schon lange die Geschicke von Klöstern und Gemeinschaften. Eine ist die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, Schwester Katharina Ganz. 

Frauen in Leitungspositionen haben in den Orden Tradition / © Paul Haring (KNA)
Frauen in Leitungspositionen haben in den Orden Tradition / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Gerade die Orden sind immer schon Orte gewesen, an denen Frauen Führungspositionen übernommen haben. Was bedeutet das für uns heute?

Sr. Katharina Ganz (Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen): Das bedeutet zunächst, dass seit Jahrhunderten sichtbar gelebt wird, dass Frauen in der Kirche Verantwortung übernehmen: als Unternehmerinnen, als Ökonominnen, als Schulleiterinnen, als Bauleiterinnen, als Schwestern, die riesigen Konventen und Einrichtungen vorstehen. Ordensfrauen sind der lebende Beweis dafür, dass Frauen in Führungspositionen der katholischen Kirche möglich sind.

DOMRADIO.DE: Sie selbst bekleiden als Generaloberin auch ein hohes Amt in der Kirche. Eine Messe mit ihren Schwestern dürfen Sie aber nicht zelebrieren. Was bedeutet das für Sie?

Sr. Katharina Ganz: Für mich persönlich ist das eine Lebenswunde. Ich habe als promovierte Theologin letztlich die gleichen Voraussetzungen wie alle männlichen Theologen. Sie haben aber die Möglichkeit, geweiht zu werden, sofern sie den Wunsch in sich spüren, Diakon oder Priester zu werden. Bei mir soll das wegen einer genetisch anders gelagerten Situation nicht so sein.

Viele Schwestern leiden da nicht so sehr darunter. Ich selber empfinde es indes immer wieder als sehr traurig, dass wir bei Festen ins unserer Gemeinschaft einen Priester einfliegen müssen – Gott sei Dank haben wir auch einen guten Hausgeistlichen. Aber es ist schade, dass wir zum Beispiel bei Professfeiern, wenn sich eine Schwester der Gemeinschaft anschließt  - oder auch für das Requiem, wenn eine Schwester stirbt - immer einen Priester brauchen.

Die älteren Schwestern haben damit in der Regel kein Problem. Bei den Jüngeren habe ich das Gefühl, dass sie sich manchmal andere Möglichkeiten wünschen.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus hat eine Kommission einberufen, die untersuchte, ob es nicht möglich ist, Frauen zu Diakoninnen zu weihen. So richtig ermutigend sind die Zeichen, die bisher aus dem Vatikan kommen aber eher nicht, oder?

Sr. Katharina Ganz: Ich war zumindest sehr entsetzt, als ich hörte, dass die Kommission, die sich noch einmal mit dem historischen Frauendiakonat beschäftigte, seit Juni 2018 die Arbeit abgeschlossen und den Bericht Papst Franziskus überreicht hat – aber man überhaupt nichts davon mitbekommen hat, was eigentlich in diesem Abschlussbericht steht. Mein Eindruck ist, dass das Frauenthema in der römischen Kurie in Rom, nach wie vor ein ungeliebtes Thema ist. Man will nicht wirklich, dass Frauen mehr an Entscheidungsprozessen beteiligt werden, geschweige denn, dass man über Frauen in kirchlichen Ämtern nachdenkt.

DOMRADIO.DE: Ein ganz sicher ungeliebtes Thema ist auch der Missbrauch, den Kirchenmänner an Ordensfrauen begangen haben. Der wird erst seit relativ kurzer Zeit überhaupt öffentlich diskutiert – durchaus nicht freiwillig, sondern erst, weil Frauen vehement darauf aufmerksam gemacht haben. Was erwarten Sie sich speziell in dieser Frage von Papst Franziskus?

Sr. Katharina Ganz: Ich erwarte mir, dass er ähnlich deutlich wird, wie bei der sexualisierten Gewalt an Minderjährigen und dieses Thema zur Nulltoleranz-Zone erklärt. Es muss entschieden aufgearbeitet werden, was da in den letzten Jahrzehnten schon im Vatikan bekannt geworden ist. Außerdem erwarte ich, dass sich immer mehr betroffene Frauen und auch Ordensfrauen trauen, ihr Schweigen zu brechen und zu sagen, was mit ihnen geschehen ist.

DOMRADIO.DE: Die deutschen Bischöfe wollen eine Frauenquote in kirchlichen Führungspositionen einführen: 30 Prozent bis zum Jahr 2023. Halten Sie das für einen sinnvollen Weg?

Sr. Katharina Ganz: Es ist auf jeden Fall ein Weg, der beschritten werden kann und muss, damit sich eine Kultur des Miteinanders in der katholischen Kirche ausbreitet. Überall, wo Frauen tätig sind, sind sie sichtbar, können mitgestalten und mitentscheiden. Es ist wichtig, dass sich am Umgang und an den Entscheidungen etwas verändert und dass Frauen Einfluss nehmen können. Daher halte ich die Quote für wichtig.

Ich wurde aber auch ausgelacht, als ich das bei einem Vortrag in einem Kirchenraum gesagt habe. Anscheinend glauben die Gläubigen nicht mehr an das, was sich die katholischen Bischöfe selbst verordnen. Man ist sehr enttäuscht und frustriert.

Das Interview führte Hilde Regeniter. 


Sr. M. Katharina Ganz OSF / © Bayerischer Rundfunk
Sr. M. Katharina Ganz OSF / © Bayerischer Rundfunk
Quelle:
DR