DOMRADIO.DE: Es gibt andere Städte in Deutschland mit höheren Infektionszahlen. Warum ist Jena jetzt die erste Stadt, die eine Maskenpflicht erlässt?
Stephan Riechel (Pfarrer in der Katholischen Pfarrei St. Johannes Baptist in Jena): Prozentual gesehen war Jena relativ weit vorne. Wenn man sich die Zahlen im Bezug auf tausend Einwohner angesehen hat, lag Jena vor Großstädten wie Hamburg oder Berlin. Das war schon ein Fakt, weshalb Jena auch relativ früh Versammlungsverbote und Ausgangsbeschränkungen erfasst hat – noch bevor die Bundesregierung das gesagt hat.
Ich denke, diese Maßnahmen waren insgesamt ganz wichtig und gut, obwohl das Umfeld von Jena, also Thüringen, relativ wenig betroffen ist. Von daher hat mich die Entscheidung, als erste Stadt in Deutschland die Maskenpflicht einzuführen, doch überrascht.
DOMRADIO.DE: Finden Sie die Maskenpflicht gut?
Riechel: Einerseits finde ich es gut. Letztendlich ist es ein Ausdruck der Sorge. Es geht um Geschäfte und den Schutz der dort arbeitenden Menschen – und um die öffentlichen Verkehrsmittel, man sitzt so nah zusammen. Es geht mit den Masken darum, andere in ihrer Tätigkeit zu schützen. Von daher ist es ein Ausdruck der Sorge, nochmal zusätzlich etwas zu tun.
Aber die Maßnahmen haben ja in den vergangenen zwei bis drei Wochen gut gegriffen. Ich habe das beobachten können, dass die Leute wirklich den Abstand von anderthalb bis zwei Metern eingehalten haben, man kam nur mit einer bestimmten Anzahl von Personen in Geschäfte hinein, es wurde ein Glasschutz an den Kassen vorgebaut – die Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen waren eigentlich gegeben. Von daher ist jetzt auch die Frage von Virologen, ob das zusätzlich noch helfen kann.
DOMRADIO.DE: Was ist Ihr Eindruck, wenn Sie durch die Stadt gehen? Sehen Sie viele Menschen, die mit den Masken unterwegs sind?
Riechel: Nein, gar nicht. Es fällt manchmal durch die internationale Bevölkerung in der Stadt wirklich typisch auf, dass gerade asiatische – ich nehme an – Studenten, die hier leben oder arbeiten, das eher gewohnt sind von zu Hause. Das waren die Ersten, die mir aufgefallen sind, die einen Mundschutz getragen haben.
Jetzt sieht man den einen oder anderen, der einen trägt, aber ich würde sagen, dass von 100 Leuten, die ich am Tag sehe, vielleicht einer oder zwei dabei sind, bei denen mir das auffällt.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind die Bürger in Jena dazu aufgerufen, Masken für sich und andere zu nähen. Wie gehen Sie damit als Gemeinde um? Haben Sie da schon drüber nachgedacht, vielleicht Masken für die Nachbarn zu nähen?
Riechel: Das war noch zu frisch. Die Meldung kam gestern. Wir haben morgen unsere Dienstbesprechung – ganz modern über Videokonferenz. Ich werde es ansprechen, aber ich glaube, dass wir nicht die Möglichkeiten dazu haben.
Man müsste jemanden haben, der nähen könnte, der das herstellen könnte. Da schränkt es sich schon ein. Und letztendlich würde das ja auch wieder dazu führen, dass Leute vielleicht zusammenkommen müssen, um das zu machen. Genau das soll eigentlich verhindert werden. Das heißt, es wird nur darauf hinauslaufen können, dass jeder sich die Masken zu Hause allein herstellt.
DOMRADIO.DE: Sie sagten, es sei ein Ausdruck der Sorge. Man will andere nicht infizieren. Könnte man das auch Nächstenliebe nennen?
Riechel: Ja, natürlich. Ich denke, der Beschluss ist in der Hinsicht gekommen, Rücksicht und Solidarität mit denen zu üben, die jetzt in der Verantwortung sind, die Versorgung mit Grundlebensmitteln möglich zu machen. Das kann man Solidarität nennen, das kann man christlich auch Nächstenliebe nennen. Und jeder, der da mitmacht, zeigt eben Ausdruck von Solidarität oder Nächstenliebe.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.